Proteste ebben nicht ab; Generalstaatsanwaltschaft will Aktivitäten der Freiwilligen einschränken; Zentralregister zur Erfassung von Straftaten veröffentlicht erste Listen für Verfahren der internationalen Gerichtsbarkeit; Wolha Chižynkowa ist frei und hat nicht vor, Belarus zu verlassen
20. Dezember 2020 | BYHelp-Mediagroup
Die Sonntagsmärsche finden weiterhin im ganzen Land statt
Im Rahmen der wöchentlichen Proteste fanden in Minsk und anderen belarusischen Städten „Volkstribunalmärsche“ statt. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend schlossen sich die Bewohner der Stadtteile von Minsk und anderer Städte in Kolonnen zusammen und marschierten auf den Straßen in ihrer Nachbarschaft. Die Demonstranten versuchten, sich zu verschiedenen Tageszeiten auf kleinen Straßen zu bewegen, um Massenfestnahmen zu vermeiden und die Polizeikräfte zu zerstreuen. Die Termin- und Ortsabstimmung erfolgte in geschlossenen Telegram-Gruppen.
Das Menschenrechtszentrum „Viasna“ verzeichnete mehr als 140 Festnahmen bei Protesten in Minsk, Barysau, Wizebsk, Hrodna, Nawapolatzk, Salihorsk, Smilawitschy und Radaschkowitschy. Die Minsker Polizei meldete hundert Festgenommene in der Hauptstadt. Die Sicherheitskräfte schnappten sich Menschen, die einfach nur auf der Straße standen, zerrten sie aus den Treppenhäusern. In Hrodna wurden die Journalistinnen Maryna Charewitsch (BelaPAN) und Alena Kawaltschuk (Wochenzeitung Nascha Slowa) festgenommen. Vor der Festnahme meldete Charewitsch, dass „Menschen in Zivil“ dabei wären, in den Raum, in dem sie arbeiteten, einzubrechen.
Wolha Chižynkowa ist frei. Nach 42 Tagen unter Arrest
Am 20. Dezember wurde Miss Belarus-2008 Wolha Chižynkowa nach 42 Tagen Haft freigelassen. Sie wurde bereits am 8. November festgenommen und wegen ihrer Teilnahme an friedlichen Aktionen gegen die Gewalt in drei Fällen angeklagt. Kurz vor der Freilassung wurde Wolha aus der Minsker Haftanstalt ins Gefängnis nach Schodsina verlegt. Zum Begrüßen kamen ihre Verwandten und sogar ihr Kater. Nach der Freilassung erzählte Wolha von schrecklichen Haftbedingungen, mangelnder Hygiene und fehlender Heizung. Die Frauen mussten in ihrer Kleidung auf dem Boden schlafen. Trotz aller Hürden denkt Wolha nicht daran, das Land zu verlassen, sie möchte in Belarus leben und arbeiten.
Erste Liste der verifizierten Straftaten in EKRP veröffentlicht
Heute wurde im Zentralregister zur Erfassung von Straftaten (EKRP) die erste Liste mit 28 Dokumenten veröffentlicht, die Beweise für Wahlbetrug durch Mitglieder von Wahlkommissionen, Folter und Gewalt durch Sicherheitskräfte, Entführungen der Menschen und den Erlass rechtswidriger Gerichtsurteile enthalten. Unabhängige Experten – Ermittler, Anwälte und Staatsanwälte – waren an der Beschaffung von Beweisdokumenten und der Überprüfung der Zuverlässigkeit von Informationen beteiligt. Die Fälle werden an Interpol (im Rahmen der Internationalen universellen Gerichtsbarkeit), die OSZE, den Europarat und andere internationale Organisationen übergeben.
Das Zentralregister zur Erfassung von Straftaten wurde von Swetlana Tichanowskaja initiiert. Das Register wurde ins Leben gerufen, um Informationen über Rechtsverletzungen durch Vertreter der belarusischen Strafverfolgungsbehörden gegenüber den Teilnehmern der friedlichen Proteste zu erfassen. Anschließend sollen Strafverfahren auf internationaler Ebene eingeleitet werden.
In Belarus wird an einem Gesetz zur Kontrolle und Einschränkung der Arbeit von Freiwilligen gearbeitet
Die Freiwilligenbewegung in Belarus begann sich mit dem Beginn der ersten Welle der COVID-19-Epidemie rasch zu entwickeln. Der Staat tat nichts, um den Bürgern seines Landes zu helfen, und Freiwillige im ganzen Land nähten Masken und andere Schutzmittel und versorgten die Ärzte mit Mahlzeiten. Nach Beginn der friedlichen Proteste begannen Freiwillige, den Inhaftierten zu helfen, Hilfsgüter für die Opfer zu sammeln und öffentliche Listen derjenigen zu erstellen, die wegen Teilnahme an friedlichen Protestaktionen hinter Gittern saßen. Jetzt arbeiten die Generalstaatsanwaltschaft von Belarus und das Belarusische Republikanische Anwaltskollegium an einem Gesetz, das eine Regulierung die Freiwilligenarbeit vorsieht. Viele Experten befürchten jedoch, dass das neue Gesetz, anstatt günstige Bedingungen für Freiwillige zu schaffen, im Gegenteil die Möglichkeiten für die ungehinderte Arbeit von Freiwilligeninitiativen einschränken könnte. Da viele der Freiwilligen keiner öffentlichen Organisation angehören, werden ihre Aktivitäten nach der Einführung der Neuerungen als illegal eingestuft und können polizeiliche und gerichtliche Strafmaßnahmen sowie Strafverfolgung aus politischen Gründen nach sich ziehen.
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