3. November 2020 | BYHelp-Mediagroup
An den Universitäten herrscht Unruhe, Eltern weigern sich, Studiengebühren zu bezahlen, Parlamentspräsidentin trifft sich mit Studenten
Am 3. November setzten sich die Studentenunruhen in Belarus fort. An der Linguistischen Universität protestierten Studierende und Lehrkräfte gegen die Verhaftung der Dozentin Natalja Dulina. Absolventen und Studenten der juristischen Fakultät der Belarusischen Staatlichen Universität unterzeichneten einen gemeinsame Aufruf. Eine Aktion zur Unterstützung der von den Hochschulen verwiesenen Studenten fand an der Akademie der Künste statt.
Eltern von Studenten der kostenpflichtigen Studiengänge für Informatik und Radioelektronik drohten dem Rektor der Hochschule, dass sie die Gebühren für das Studium ihrer Kinder nicht mehr zahlen würden.
Heute wissen wir von 127 Studenten, die wegen angeblichen „Verstoßes gegen die Hausordnung“ der Universität verwiesen wurden, wobei der wahre Grund die Äußerung ihrer politischen Haltung war.
Am selben Tag traf die Vorsitzende des Oberhauses des Parlaments, Natalja Kotschanowa, mit Vertretern der streikenden und engagierten Studenten an der wichtigsten Universität des Landes, der Belarusischen Staatlichen Universität, zusammen. Während des Treffens sagte Natalja Kotschanowa: „Die [offizielle] Stimmverteilung [bei den Präsidentschaftswahlen] entspricht der Wahrheit“, und über die Verletzungen bei den Verhaftungen Mitte August sagte sie: „Das ist nicht wahr! Das ist nicht wahr! Das ist nicht passiert! Das gab es nicht. Hört mir zu, Leute. Alles, was Sie im Internet gelesen haben… Es wurde keine einzige Vergewaltigung, keine Gebärmutterruptur oder Ähnliches gemeldet. Kein einziger Fall! Wenn Sie mir nicht glauben, lade ich den Gesundheitsminister zu Ihnen ein und er wird kommen“, sagte Kotschanowa sichtlich erregt. [Trotz aller Zeugenaussagen von Opfern und Augenzeugen, der Aussagen von Ärzten, sind solche Fälle von den Ermittlungsbehörden wirklich nicht aufgezeichnet worden. Es sind auch Situationen bekannt, in denen Opfer eingeschüchtert und erneut verhaftet wurden, damit die entsprechenden Anzeigen nicht erstattet werden. – Anm.]
Entlassungen, Solidaritätsaktionen, Arreste: Was in den Unternehmen passiert ist
Wie in den letzten Tagen wurden weitere Mitarbeiter von staatlichen Einrichtungen und Unternehmen wegen ihrer politischen Ansichten entlassen. Ein Mitarbeiter des Ministeriums für Katastrophenschutz, der sich weigerte, eine weiß-rot-weiße Fahne zu entfernen, verlor seinen Arbeitsplatz und wurde zu 15 Tagen Haft verurteilt.
Bei einigen Unternehmen (z.B. beim Minsker Elektrotechnischen Werk, wo am Vortag mehr als 20 Personen entlassen worden waren) fanden Solidaritätsaktionen statt.
Trotz der Entlassungen bringen die Menschen weiterhin ihren Protest zum Ausdruck. Ein entlassener Dozent der Militärakademie veröffentlichte eine Videobotschaft, zwei Mitarbeiter schlossen sich dem Streik bei Belaruskali, dem größten Kaliproduzenten des Landes, an.
Gerichtsverfahren gegen den Vater von Aljaksandra Herasimenja. Weitere Festnahmen von Intellektuellen und Geschäftsleuten
Der Vater der zweimaligen Vize-Olympiasiegerin und Gewinnerin vieler Schwimm-Weltmeisterschaften Aljaksandra Herasimenja, wurde zu einer Geldstrafe verurteilt. Der 60-jährige Sportler Wiktar Herasimenja war am 1. November festgenommen worden. „Ich war noch nie in Gewahrsam, nie hinter Gittern, das war das erste Mal in meinem Leben. Die Menschen [in der Zelle] waren ganz verschieden, von 18 bis 60. Gebildete, normale, anständige Leute, viele haben eine eigene Firma“, sagte Wiktar.
Es gab weitere Gerichtsverhandlungen gegen Festgenommene, darunter ein Fotograf, eine Journalistin, Inhaberin einer Bar und mehrere Ärzte. Alle wurden zu 13 bis 20 Tagen Haft verurteilt, darunter auch der Bildhauer Genik Loika. In Freiheit entlassen wurde der Dichter Dmitri Strozew, der 13 Tage abgesessen hatte.
Belarusischer Botschafter in Argentinien entlassen
Am 3. November wurde Wladimir Astapenko wegen eines mit seinem diplomatischen Dienst unvereinbaren Fehlverhaltens vom Amt des belarusischen Botschafters in Argentinien und gleichzeitig in Uruguay, Chile, Paraguay und Peru entlassen. Astapenko selbst hatte zweimal aufgrund der fehlenden internationalen Legitimität Lukaschenkos um seine Entlassung gebeten. Im Weggehen schwenkte der Diplomat die weiß-rot-weiße Fahne und wünschte den Belarusen den Sieg.
Im Koordinationsrat wurde berichtet, was der Entwurf der Verfassungsänderungen enthält
Der Koordinationsrat (ein auf Initiative von Swetlana Tichonowskaja eingerichtetes Gremium) erklärte, dass ihm ein von der Regierung ausgearbeiteter Entwurf von Verfassungsänderungen vorliegt. Im Folgenden sind die wichtigsten Punkte aus diesem Dokument aufgeführt:
- Den Belarusen wird das Streikrecht als Mittel zur Äußerung ihrer politischen Position entzogen.
- Das allgemeine Recht auf kostenlose medizinische Versorgung wird abgeschafft.
- Belarusen verlieren das Recht auf einen garantierten bezahlten Jahresurlaub.
- Für politische Parteien gibt es mehr Einschränkungen.
- Priorität internationaler Verträge (gegenüber der belarusischen Verfassung, Anm. des Übersetzers) wird festgeschrieben.
Der erste Block des Atomkraftwerks BelAES wird an das Energienetz des Landes angeschlossen. Litauen stoppt Einfuhr von Strom aus Belarus
Am 3. November wurde der erste Block des neu gebauten belarusischen Atomkraftwerks nahe der belarusisch-litauischen Grenze an das einheitliche Energienetz des Landes angeschlossen. Danach kündigte Litauen sofort die Einstellung des Bezugs von Strom aus Belarus an. Die Aufnahme der Stromproduktion im ersten Blocks des belarusischen AKW ist für Ende Februar 2021 geplant.
For more information on the events of 3 November 2020, please visit Infocenter Free Belarus 2020: