Regierung unterstellt Tichanowskaja und BYPOL Vorbereitung von Terroranschlag; HRW veröffentlicht Bericht über Repressionen gegen Journalist*innen in Belarus; zufällige Passant*innen vor Gericht wegen Teilnahme an „nie stattgefundener Aktion“
29. März 2021 | Voice of Belarus
Regierung unterstellt Tichanowskaja und BYPOL Vorbereitung von Terroranschlag
Die Generalstaatsanwaltschaft von Belarus hat gegen Swetlana Tichanowskaja und die Mitglieder der Initiative BYPOL ein Strafverfahren wegen Vorbereitung eines Terroranschlags eingeleitet. Die Behörde erklärte, diese hätten „versucht, Bombenanschläge und Brandstiftungen in der Hauptstadt und anderen Städten durchzuführen“. Der Pressedienst von Swetlana Tichanowskaja erklärte, dass die Generalstaatsanwaltschaft gerade „ein neues Meme in die Welt setzt“.
Bericht von Human Rights Watch: Wir fordern, Strafverfahren einzustellen und die Pressefreiheit zu gewährleisten
Die belarusische Regierung verschärfte in den letzten fünf Monaten das Vorgehen gegen unabhängige Medien und griff dabei auf grundlose Festnahmen, Geldstrafen und Verhaftungen unter politisch motivierten Anschuldigungen zurück, so der Bericht der internationalen Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch.
Die Organisation listet in ihrem Bericht Gesetzesverstöße auf, darunter Misshandlungen von Gefangenen, mit denen die belarusischen Behörden versuchen, die Medien zum Schweigen zu bringen, die über die Menschenrechtsverletzungen und friedlichen Proteste berichten, die nach den Präsidentschaftswahlen im August Belarus ergriffen haben.
Von September bis März wurden in Belarus mindestens 18 Strafverfahren gegen Journalist*innen eingeleitet, die, wie Human Rights Watch feststellt, „offensichtliche Vergeltungsmaßnahmen für ihre Tätigkeit“ sind. Drei der Angeklagten wurden zu Haftstrafen zwischen sechs Monaten und zwei Jahren verurteilt, sieben weitere warten auf ihren Prozess. Unabhängigen Medien werden Medienstatus und Akkreditierung entzogen, ihre Veröffentlichungen dürfen nicht gedruckt bzw. über Abonnements vertrieben werden, ihre Webseiten werden gesperrt.
Der Bericht verweist auch auf Ausweisungen ausländischer Berichterstatter*innen aus dem Land, die seit den Präsidentschaftswahlen stattgefunden haben. Im Oktober 2020 führte das belarusische Außenministerium neue Regeln für die Medienakkreditierung ein, die deren Erwerb erheblich erschwerten.
Repressionen gehen weiter: Zufällige Passant*innen bekommen einen „Tag“ (24 Stunden Arrest) und einer kinderreichen Mutter drohen 7 Jahre Gefängnis
Am 29. März verhandelten Minsker Gerichte gegen Menschen die bei nicht genehmigten Massenveranstaltungen am 27. März festgenommen worden waren, von denen das Innenministerium behauptet, dass sie gar nicht stattgefunden hätten. Die meisten der Inhaftierten erhielten 15 Tage Ordnungshaft. Unter den Festgenommenen waren eine Musikerin des Opernorchesters, die mit ihrem Essen und einem Kaffee gerade eine Pizzeria verließ, ein Mann, der ein Geschäft betrag, um Babynahrung zu holen, und ein Kurier eines Lebensmittel-Lieferdienstes.
Wolha Salatar, Mutter von fünf Kindern, die „wegen ihrer aktiven Protesttätigkeit“ festgenommen wurde, steht nun unter Anklage. Sie wird beschuldigt, „eine extremistische Gruppierung gegründet oder eine solche Gruppierung geleitet zu haben“. Sie muss mit bis zu 7 Jahren Gefängnis rechnen.
Unterdessen übernahmen neun weitere europäische Abgeordnete Patenschaften für politische Gefangene in Belarus.