Belarusische Aktivist*innen in Russland festgenommen; Freiheitsstrafe für Papierherzen und für weiß-rot-weiße Flagge; laut Archivaren keine Folter oder Tötung während des Krieges unter der weiß-rot-weiße Flagge
24. April 2021 | Voice of Belarus
Für 10 Herzen an den Fenstern – 10 Tage Verhaftung
Die Bewohner von Nowaja Barawaja wurden wegen der Herzen an ihren Fenstern verurteilt. Vom 21. bis 23. April wurden Polizeirazzien in einem der Protestbezirke von Minsk, Nowaja Barawaja, durchgeführt, in deren Folge 8 Bewohner dieses Wohngebietes in ihren eigenen Wohnungen festgenommen wurden. Sie wurden wegen „Teilnahme an einer nicht genehmigten Massenveranstaltung oder Streikposten“ angeklagt. Der Grund sind weiße und rote Papierherzen an den Fenstern. Die Ergebnisse dieser „Prozesse“: für 10, 6, 7 und 5 Herzen – 10 Tage Arrest, für 3 und 11 Herzen – 2.900 Rubel (940 Euro), für 5 rote Herzen und 2 weiße A4-Blätter – 7 Tage Arrest. Ein weiterer Häftling wurde zu 30 Tagen Haft verurteilt, weil er am 25. März, am Tag der Freiheit, eine weiß-rot-weiße-Flagge gehisst hatte.
Keine Folter oder Tötung während des Krieges unter der weiß-rot-weiße-Flagge
Die weiß-rot-weiße Flagge ist zum Hauptsymbol für groß angelegte Proteste in Belarus geworden. Ende Januar wurde bekannt, dass die Generalstaatsanwaltschaft ein Paket von Dokumenten vorbereitet, um die weiß-rot-weißen Symbole als extremistisch einzustufen. Lukaschenko nannte die weiß-rot-weiße Flagge offen „faschistisch“. In Belarus finden Gerichtsverhandlungen für die Kombination von Weiß und Rot nicht nur in Form von Bildern statt, sondern auch in Form von Kleidungsstücken, die in einer bestimmten Reihenfolge an den Balkonen und Fenstern von Wohnungen und Privathäusern aufgehängt wurden.
Das Belarusische Staatsarchiv für Film- und Fotodokumente hat keine Fotos oder Filmaufnahmen gefunden, auf denen Menschen mit weiß-rot-weißer Fahne und „Pahonja“ (das historische Wappen, Anm. des Übers.) andere Menschen verprügeln, foltern oder umbringen. Dies berichtete der Politologe und Militärexperte, Jahor Lebjadok, der gezielt eine Suchanfrage an Archivare schickte.
Belarusische Aktivist*innen in Russland festgenommen
Ehemalige Demonstranten, die in Russland Asyl gesucht hatten, wurden auf Ersuchen aus Belarus verhaftet. Jetzt warten sie hinter Gittern auf eine Entscheidung, ob sie in ihre Heimat, wo gegen sie ein Strafverfahren eingeleitet wurde, ausgewiesen werden. Bis heute kennen wir die Namen von sieben Belarus*innen, die ausgeliefert werden sollen. Insgesamt hat das Untersuchungskomitee von Belarus in diesem Jahr Anträge auf die Auslieferung von 39 Personen an Russland gestellt.
Belarusische Aktivist*innen glauben, dass die Festnahme von Belarus*innen in Russland vor dem Hintergrund der russischen Proteste begann. Nach der Januar-Kundgebung zur Unterstützung von Alexej Nawalny verbot die Polizei den Belarus*innen zuerst, rote und weiße Fahnen und Plakate zu halten, dann – nur in der Nähe des Botschaftsgebäudes zu stehen und zu reden, sogar ohne Symbole. Reale Verhaftungen begannen: Aktivisten wurden mit einem Polizeitransporter auf die Polizeiwache gebracht und nach einem präventiven Gespräch wieder freigelassen. In St. Petersburg geht die Polizei härter vor – während der Proteste gab es bereits 26 Festnahmen von Belarus*innen. Bei einem belarusischen Pass sind zwei beliebige Ordnungswidrigkeitsverfahren in sechs Monaten ein Grund für die Abschiebung.