Statkewitsch, Tichanowski und Losik werden wegen Kritik an Behörden angeklagt; das Wort „Es lebe!“ einer Schülerin auf dem Asphalt soll ein „Streikposten“ sein; Neuer Informationsminister: Zeit für Bestrafung gekommen; Richter hielt Forderung nach fairem Prozess für Druck
10. April 2021 | Voice of Belarus
Statkewitsch, Tichanowski und Losik werden wegen Kritik an Behörden vor Gericht gestellt
Der politische Gefangene Mikalaj Statkewitsch (er ist seit dem 31. Mai im Gefängnis) teilte in einem Brief an seine Frau mit, dass er zusammen mit Sergej Tichanowski und Ihar Losik vor Gericht gestellt werden würde. Jeder von ihnen wird beschuldigt, Massenunruhen organisiert zu haben, die von Gewalt, Pogromen, Brandstiftungen oder bewaffnetem Widerstand gegen Vertreter der Behörden begleitet waren. Dabei wird jeder der Angeklagten, mit Ausnahme von Statkewitsch, mit weiteren strafbaren Artikeln belastet.
Die Materialien des Falles nehmen 110 Bände ein, schreibt Statkewitsch: „Die Essenz des ,Verbrechens‘ lässt sich kurz wie folgt beschreiben: Unsere behördenkritischen Äußerungen im Internet führten zu einem Anstieg der Proteststimmung und zur Ansammlung einer ,unorganisierten Masse von Menschen‘, die ,Massenkrawalle‘ begangen haben. Dies bedeutet, dass wir die Organisatoren dieser ,Unruhen‘ sind. Logik!“
Das Wort „Es lebe!“ einer Schülerin auf dem Asphalt soll ein „Streikposten“ sein
Ein 13-jähriges Schulmädchen wurde wegen eines auf dem Asphalt geschriebenen Wortes „Es lebe!“ von der Polizei abgeholt und wegen eines „Streikposten“ angeklagt. Gegen ihre Mutter wurde ein Protokoll wegen „Nichterfüllung der Pflichten zur Kindererziehung“ erstellt. Laut der Frau erklärte die Polizei die Inhaftierung wie folgt: „Das Wort ,leben‘ in Kombination mit einem anderen Wort bedeutet viel.“ [„Es lebe Belarus!“ – der Slogan der Demonstranten, Anm.]
Neuer Informationsminister: „Es ist Zeit für Bestrafung“
Der neue Minister war nicht so neu. Auf jeden Fall, wenn sich seine Methoden von denen seiner Vorgänger unterscheiden, dann nur zum Schlechten. Dies wird durch die Änderungen des Mediengesetzes, die derzeit im Parlament geprüft werden, und auch durch seine Worte belegt.
Im staatlichen Fernsehen sagte Minister Uladsimir Pjarzou zunächst, dass das Informationsministerium nicht zu einer repressiven Behörde werden würde. Und dann erzählte er, dass es an der Zeit sei, Verbote, Einschränkungen und bestimmte Strafen zu verhängen. Weil sich der Informationsraum geändert hat, während die Gesetze in Belarus nicht darauf bereit waren.
Richter hielt Forderung nach einem fairen Prozess für Druck
Im Zusammenhang mit dem Beginn des Prozesses gegen den politischen Gefangenen Aljaxej Karatkou wandte sich die deutsche Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner an den Richter, dem „repressiven Champion“, Maxim Trusewitsch: „Sehr geehrter Maxim Leanidawitsch Trusewitsch, sehr geehrter Gerichtshof! Ich möchte an Sie appellieren, einen fairen Prozess in Übereinstimmung mit der Rechtsstaatlichkeit zu führen. Unter Berücksichtigung der Bestimmungen der Verfassung der Republik Belarus, die die Versammlungsfreiheit garantiert (Art. 35) und Freiheit der Meinung, des Glaubens und der Meinungsäußerung (Art. 33) bin ich überzeugt, dass Herr Karatkou nicht für die Ausübung dieser Rechte bestraft werden kann. Das Streben nach Demokratie sollte in keiner Weise bestraft werden“.
Trusewitsch schickte diesen Brief an die Polizei, da er „Hinweise auf eine Beeinflussung der Arbeit des Gerichts hat“.