4. September 2020, 18:15 | TUT.BY
Swetlana Tichanowskaja trat vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in der informalen Konferenz auf. Die Sitzung im Zusammenhang mit der Lage in Belarus wurde von Estland und weiteren zehn Ländern initiiert, einschließlich der ständigen Teilnehmer.
Estland initiierte zusammen mit den ständigen Mitgliedern – den USA und Großbritannien – sowie Kanada, Dänemark, Island, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien und der Ukraine eine Sitzung im Zusammenhang mit der Lage in Belarus. Die Sitzung hat der Außenminister Estlands Urmas Reinsalu geführt.
Im Rahmen dieses Online-Treffens trat die UN-Sonderberichterstatterin für Belarus Anaïs Martin mit einem Aufruf auf. Sie berichtete von Verstößen gegen die Menschenrechte, illegalen Festnahmen und Gewalt gegenüber Protestanten.
Dann sprach Swetlana Tichanowskaja per Video in der Sitzung.
Heute herrscht Unruhe in meinem Land, Belarus. Friedliche Demonstranten werden illegal festgenommen, geschlagen und inhaftiert. Die Proteste haben nach einem zynischen und empörenden Versuch des Herrn Lukaschenko, die Stimmen der Menschen zu stehlen, angefangen. Die Forderungen des Volkes sind einfach: unverzüglich die Gewalt und Drohungen seitens des Regimes einzustellen, sofort alle politischen Gefangenen freizulassen sowie neue freie und ehrliche Wahlen durchzuführen. Es steht nur ein Hindernis im Wege dieser Forderungen und dieses heißt Herr Lukaschenko. Ein Mann, der an seiner Macht festhält und sich nicht darum schert, seinem Volk und seinen eigenen Staatsdienern zuzuhören. Das Volk darf nicht und sollte nicht eine Geisel der Machtgier eines Mannes sein, und das wird es nicht sein und nicht werden. Die Belarusen sind erwacht. Wir sind an einem Punkt angekommen, von dem es kein Zurück mehr gibt. Dies zeigt sich jetzt in täglichen Demonstrationen von mehreren hunderttausend Menschen in ganz Belarus, trotz der Brutalität der Polizei und der Verstöße gegen belarusische Gesetze und internationale Vorschriften. Dies zeigt sich in Streiks an den größten Werken und staatlichen Unternehmen Belarus‘ trotz der Drohungen und manchmal auch illegaler Entlassungen der Arbeiter. Dies zeigt sich in allen Schichten unserer Gesellschaft und die Vertreter aller politischen Bewegungen fordern nur Eins: Das Regime von Herrn Lukaschenko ist größtenteils gescheitert, seine Legalität ist fraglich und seine Existenz ist einfach inakzeptabel in Augen unseres Volkes.
Tichanowskaja bat die Vereinten Nationen um Hilfe beim Wiederherstellen der Legalität und der Menschenrechte in Belarus und rief zum Durchführen einer außerordentlichen Sitzung des UN-Menschenrechtsrats wegen der Lage in Belarus auf.
Die Vereinten Nationen wurden als ein formelles Organ für die gesamte internationale Gemeinschaft gegründet, um die Achtung vor den Menschenrechten und fundamentalen Rechten für alle zu umzusetzen und die Einhaltung dieser zu unterstützen. Im Jahre 1945 war Belarus eines der Länder, die die Vereinten Nationen gegründet hatten. Und brauchen wir Belarussen die Hilfe der Vereinten Nationen, um die Verletzungen der Menschenrechte und das zynische Missachten des Menschenrechts gegen die Würde in der Mitte Europas zu beenden. Wir bitten die Vereinten Nationen die Taten, ausgehend von den belarusischen Streitkräften gegenüber den Demonstranten, zu verurteilen. Wir schlagen vor, eine außerordentliche Sitzung des VN-Menschenrechtsrats durchzuführen, um die Situation der Menschenrechte in Belarus zu besprechen. Wir rufen die Vereinten Nationen auf, eine internationale Monitoringmission in Belarus unverzüglich loszuschicken, um die Situation vor Ort zu dokumentieren. Wir fordern, der UN-Sonderberichterstatterin die störungsfreie Einreise in Belarus zu gewähren. Wir fordern, alle gesetzwidrig verhafteten politischen Gefangenen unverzüglich zu befreien, und zwar: Sjarhej Zichanouski, Viktar Babaryka, Pawal Siewiaryniez, Wolha Kawalkowa, Sjarhej Dyleuski, Mikalaj Statkewitsch und mehrere Dutzende der Anführer der Bürgergesellschaft. Wir fordern, mit den Drohungen an die Mitglieder des Koordinationsrats: Swjatlana Aleksijewitsch, Wolha Kawalkowa, Pawal Latuschka, Sjarhej Dyleuski, Maryja Kalesnikawa, Maksim Snak und andere aufzuhören.
Swetlana Tichanowskaja wendete sich an die internationale Gemeinschaft mit dem Aufruf, die Zusammenarbeit mit der belarussischen Regierung abzusagen sowie individuelle Sanktionen gegen jene, die an der Wahlfälschung und Gewalt gegenüber den friedlichen Bürgern schuldig sind, einzuführen. Tichanowskaja beendete ihren Auftritt mit den folgenden Worten:
Ich will, dass alle verstehen, dass die Zusammenarbeit mit dem Regime des Herrn Lukaschenka heute die Unterstützung von Gewalt und empörenden Verstöße gegen die Menschenrechte bedeutet. Ich rufe die internationale Gemeinschaft auf, alle möglichen Mechanismen zu nutzen, damit die Gewalt beendet wird, inklusive der individuellen Sanktionen gegen jene, die gegen Wahlgesetze verstoßen und Verbrechen gegen die Menschheit begangen hatte. Ich will noch einmal betonen, dass Lukaschenko nicht mehr im Namen von Belarus spricht. Belarus sind gesetzesgehorsame, friedliche und verantwortliche Leute mit dem starken Gefühl der eigenen und kollektiven Würde, die sie jeden Tag und jeden Moment in letzten Wochen gezeigt haben. Wir sind bereit zum Dialog mit allen Seiten, allen Parteien und Ländern, die die Souveränität und territoriale Integrität von Belarus achten.
In der Sitzung kamen auch Waljanzin Stefanowitsch, der stellvertretende Direktor des Rechtsschutzzentrums „Wjasna“, sowie Wolha Sachowitsch, Rechtsanwältin des Belarusischen Journalistenbundes, und die Vertreter der teilnehmenden Staaten zu Wort.