Ärzte des Zentrums hatten zuvor an Demonstrationen teilgenommen
27. August 2020, 10:36 | Natalja Benizewitsch, TUT.BY
Foto: Dmitrij Bruschko, TUT.BY
Der bekannte belarussische Kardiologe und Wissenschaftler Aleksandr Mrotschek ist nicht mehr der Leiter des Republikanischen wissenschaftlich-praktischen Zentrums „Kardiologie“. Ihm wurde auf Initiative seines Arbeitgebers, des Gesundheitsministeriums, gekündigt.
Noch in der Nacht gingen bei unserer Redaktion die ersten Nachrichten über die Kündigung des Leiters des republikanischen Zentrums für Kardiologie Aleksandr Mrotschek ein. Am Morgen war er an seinem Arbeitsplatz und erklärte, dass es am Vortag, dem 26. August, tatsäch ein Gespräch gegeben habe, er aber noch keinen Entlassungsbescheid gesehen habe. Nach einem kurzen Gespräch mit uns fuhr er ins Gesundheitsministerium, um Einsicht in den Bescheid zu nehmen. Seit heute leitet Herr Mrotschek nicht mehr das Republikzentrum für Kardiologie.
„Im Bescheid steht: auf Initiative des Arbeitgebers entlassen (Der Arbeitgeber ist in diesem Fall das Gesundheitsministerium. – Anmerkung von TUT.BY)“, erzählte Aleksandr Mrotschek.
Steht im Bescheid, wodurch diese Entscheidung motiviert wurde?
Nein. Man sagte: danke, alles ist sehr gut, jedoch werden an uns höhere Anforderungen gestellt, die Belastung wird bald wesentlich größer sein und „ich möchte eine mir nahe stehende Person da haben“. Das war alles, sozusagen.
Womit könnte die Kündigung Ihrer Meinung nach zusammenhängen?
Ich glaube, für jemanden musste eine freie Stelle geschaffen werden.
Sie waren doch am Morgen auf der Arbeit, wie haben Ihre Kollegen auf das alles reagiert?
Die Kollegen haben es nicht sehr positiv aufgenommen. Heute morgen war ich auch auf der Arbeit, sie kamen alle zusammen zu mir. Jetzt kommt der stellvertretende Minister (Dmitrij Pinewitsch. – Anmerkung von TUT.BY), um den Mitarbeitern diese Situation zu erklären.
Sie haben die Klinik seit 2008 geleitet, was empfinden Sie jetzt?
Ich kann das nicht genau sagen, es findet wahrscheinlich eine Art Personalwechsel statt.
Sie sehen aber keine Verbindung zwischen dieser Entscheidung und dem, dass die Ärzte aus Ihrem Zentrum bei den Demonstrationen waren?
Ich kann es vermuten, aber nicht genau behaupten, weil das beim heutigen Gespräch kein Thema war.
Gestern ging es aber darum?
Ja, man hat darüber gesprochen.
Hat man über die Demonstrationen gesprochen und darüber, dass die Teilnahme daran unerwünscht ist?
Ja.
Wie schätzen Sie die Situation ein?
Was kann man da tun? Ich kann weder protestieren noch etwas unternehmen, denn die Entscheidung ist getroffen und sie ist rechtmäßig, es gibt einen entsprechenden Gesetzesartikel und es ist ziemlich schwierig, Einwände dagegen vorzubringen.
Was werden Sie tun?
Im Moment habe ich keine Stellenangebote.
Wer das Zentrum anstelle von Mrotschek leiten wird, weiß er selber noch nicht. Die interimistische Leiterin wird Margarita Belskaja sein, zurzeit ist sie stellvertretende Direktorin für Forschungsarbeit.
Alexander Mrotschek ist ein berühmter belarussischer Kardiologe, der von Kollegen nicht nur in unserem Land, sondern auch im Ausland geschätzt wird. Seit 2008 leitete er das Republikanische Forschungs- und Praxiszentrum „Kardiologie“. Er trägt den Ehrentitel „Verdienter Wissenschaftler“, er ist Akademiker der Belarussischen Nationalen Akademie der Wissenschaften, Doktor der Medizin, Professor. Er wurde mit der „Francysk Skaryna“ Medaille ausgezeichnet.
Das Kardiologiezentrum führt einzigartige Herzoperationen durch, und für das Jahr 2024 ist hier die Gründung eines Zentrums für hybride Chirurgie geplant.
Auf der Website der Akademie der Wissenschaften heißt es, dass die Hauptrichtungen der angewandten Forschung von Alexander Mrotschek die Untersuchung der Pathogenese, die Entwicklung und theoretische Begründung von Methoden zur Behandlung der koronaren Herzkrankheit und Herzrhythmusstörungen sind. Er entwickelte Methoden der Frühdiagnostik der koronaren Herzkrankheit bei Diabetes und Schilddrüsenerkrankungen, stellte nützliche Wirkungen des galvanischen Stroms und des Ultraschalls auf die Infarktzone fest, was die Entwicklung von Methoden zur Behandlung von Stenokardie und Myokardinfarkt ermöglichte.
Nach der gewaltsamen Auflösung der Proteste nahmen Mediziner des republikanischen Zentrums „Kardiologie“ an Protesten gegen die Gewalt teil. Sie unterstützten auch ihren inhaftierten Kollegen, den Reanimatologen-Anästhesisten des Kardiologiezentrums Oleg Tschernooky und standen mit seinen Porträts in der Kette der Solidarität. Außerdem schrieben sie einen Brief an Innenminister Jurij Karajew mit der Bitte um die Freilassung von ihrem Kollegen. Am 13. August wurde er aus der Untersuchungshaft in Schodzina freigelassen.
