Minsker Linguistische Universität entlässt beste Italianistin des Landes
29. Oktober 2020, 18:14 | Smizer Pankawez, Nasha Niva
Natallia Dulina ist eine der Dozent*innen der Minsker Staatlichen Linguistischen Universität (MSLU), die sich am 26. Oktober dem Streik angeschlossen hatten. Drei Tage später bekam sie einen Anruf aus der Personalabteilung und soll nun ihre Sachen abholen.
Seit 1991 unterrichtet Natallia Dulina an der Linguistischen Universität. Sie ist eine der besten Italianist*innen in Belarus. Sowohl bei Student*innen als auch unter Dozent*innen geniesst sie einen ausgezeichneten Ruf. Sie ist zu einer inoffiziellen Anführerin des Streiks geworden.
„Als der Anruf kam, war ich schon nicht mehr in der Universität, darum bin ich nicht zurückgekehrt. Jetzt muss ich erst einmal klären, ob die Kündigung rechtmäßig ist und wie ich mich in dieser Situation verhalten sollte“, sagt Natallia Dulina.
Danach erhielten drei weitere Dozent*innen der MSLU Anrufe desselben Inhalts. Natallia Dulina sagt, ihr fünfjähriger Vertrag laufe noch ungefähr bis März. „Bereits im September während der Protestaktionen hatte die damalige Rektorin Natallia Baranawa angeordnet, dass keine Protestaktionen auf dem Vorplatz der Universität stattfinden dürfen.“
„Wir versammelten uns trotzdem auf dem Vorplatz, sangen Lieder, und hielten Flaggen und Plakate hoch. Dafür bekam ich eine Abmahnung, Dutzende andere Dozent*innen erhielten einen dienstlichen Verweis. Soweit ich weiß, kann man nach der zweiten Abmahnung gekündigt werden, die ich aber noch nicht habe. Aber es ist nicht auszuschließen, dass jetzt nachträglich alle möglichen Dokumente umgeschrieben werden“, erzählt Frau Dulina.
Sie sagt, dass es keine Gespräche mit der neuen Rektorin, Natallia Lapzewa gab, obwohl Student*innen Dialogversuche unternommen hätten. Interessanterweise sind zunächst nur Dozent*innen von Repressionen betroffen, keine der MSLU-Student*innen ist bislang von der Uni verwiesen worden.
„Einige Student*innen verbüßen Arrest in den Gefängnissen in der Akrescina-Gasse und in Baranawitschy. Wir befürchten, dass ihnen unentschuldigtes Fehlen vorgeworfen werden wird. Die Mutter eines meiner Studenten war bei Lapzewa und bat sie, ihren Sohn zu verschonen. Die Rektorin habe geantwortet: „Wenn ich sage: Verweist ihn, wird er verwiesen.“ Das war ihre Botschaft.“
Einige Dutzend Dozent*innen der MSLU unterstützen den Streik. Viele beteiligten sich nicht direkt, aber sie machen „Dienst nach Vorschrift“. Vorlesungen finden zwar statt, aber gesprochen wird über andere Themen. Im September, als Studenten der Linguistischen Universität direkt im Universitätsgebäude festgenommen worden waren, hatten dagegen noch 140 Dozent*innen einen offenen Brief gegen die Repressionen unterzeichnet.
„Ich habe für mich beschlossen, dass ich nicht freiwillig kündigen werde“, sagt Dulina. Sie liebe ihre Arbeit und sie wolle nicht aufgeben.
Natürlich bereue ich nichts. Das, was gerade geschieht, ist eine Schande. Aber die Logik ihrer Entscheidungen ist voraussehbar und ich habe mit so etwas gerechnet.