Aus welchem Grund hat man die Leiterin des Zentrums für Kinderonkologie entlassen?

Aus Protest gegen diese Entscheidung haben bereits 16 Mitarbeiter*innen des Zentrums gekündigt

23. November 2020, 18:55 | Naviny.by
Natallja Kanaplja.
Source: TUT.BY

Das Gesundheitsministerium versucht, die plötzliche Entlassung von Natallja Kanaplja, Leiterin des Forschungszentrums für Kinderonkologie, Hämatologie und Immunologie, als eine Beförderung darzustellen. Naviny.by wurden Details mitgeteilt, die nach politischen Repressalien schreien.

Der 23. November brachte für die Ärzte und Mitarbeiter des Republikanischen Wissenschaftlichen und Praktischen Zentrums für Pädiatrische Onkologie, Hämatologie und Immunologie unangenehme Überraschungen.

Unerwartet traf der stellvertretende Gesundheitsminister Dsmitry Pinewitsch im Zentrum ein. Bei einer Besprechung mit dem Personal gab er bekannt, dass der Arbeitsvertrag mit der Leiterin Natallja Kanaplja mit sofortiger Wirkung gekündigt wurde und Angelika Solnzawa, die führende freiberufliche Kinderendokrinologin des Gesundheitsministeriums, zur neuen Leiterin der medizinischen Einrichtung ernannt wurde.

Das Personal des Onkologiezentrums steht unter Schock. Die Mitarbeiter glauben, dass die Entlassung politisch motiviert war. Die Leitung des Onkologiezentrums ist telefonisch nur schwer zu erreichen. Uns wurde mitgeteilt, dass Natallja Kanaplja keine Kommentare abgeben kann, weil sie ihre Sachen zusammenpackt und nicht mehr die Leiterin der medizinischen Einrichtung ist.

Am 11. November wurde ein Appell von Mitarbeiter*innen des Kinderonkologiezentrums an das Gesundheitsministerium eingereicht, in dem die Forderung erhoben wurde, Gewalt und Repression gegen friedliche Demonstranten einzustellen. Unter dem Appell gab es über 200 Unterschriften.

Wir wissen aus unseren Quellen, dass Natallja Kanaplja einige Wochen vor ihrer Entlassung eine Besprechung im Gesundheitsministerium hatte, bei der man sie dazu überreden wollte, die aktivsten Ärzte und medizinisches Personal zu entlassen.

Viele Mitarbeiter des Kinderonkologiezentrums verurteilen offen die Gewalt und Grausamkeit gegenüber Bürgern, die aus Protest gegen die derzeitige Regierung auf die Straße gehen. Gegen einige Ärzte wurden Geldstrafen verhängt oder sie waren in Haft.

Im Zentrum weiß man, dass die Leiterin sich geweigert hat, auf Forderung der Behörden die Angestellten aus politischen Gründen zu entlassen.

Als sie von diesem Gespräch erfuhren, bereiteten die Ärzt*innen einen gemeinsamen Brief vor, in dem sie erklärten, dass sie im Falle der Entlassung ihrer Leitung mit einer kollektiven Kündigung reagieren würden. Offensichtlich haben die Behörden, da sie davon wussten, Kanaplja plötzlich abgesetzt und ihr stattdessen einen ruhigen Platz angeboten.

Kündigungsschreiben.
Source: Telegram-Kanal „Weißkittel“

Nach Angaben des Telegram-Kanals „Weißkittel“ haben 16 Mitarbeiter des Zentrums aus Protest gegen den Leitungswechsel bereits Kündigung eingereicht.

Der stellvertretende Gesundheitsminister Dsmitry Pinewitsch sagte bei einem Treffen im Zentrum, Natallja Kanaplja werde nun bei der Belarusischen Medizinischen Akademie für Weiterbildung ein neues Projekt in Angriff nehmen. Sie werde den neuen Fachbereich für Kinderheilkunde leiten, wo sie sich unter anderem mit der Organisation der Weiterbildung von spezialisierten Fachärzten befassen werde.

„Natallja Kanaplja hat sich bereit erklärt, die neue Stelle anzutreten“, sagte Pinewitsch.

Natallja Kanaplja leitete das Forschungszentrums für Kinderonkologie, Hämatologie und Immunologie seit dem 1. Juli 2019, als sie Wolha Alejnikawa ablöste, die das Zentrum 23 Jahre lang geführt hatte.