TUT.BY spoke with him
31. August 2020, 18:35 | Tatjana Matwejeva, TUT.BY
In Wizebsk hat der stellvertretende Leiter des Untersuchungsgefängisses, Polizeimajor Sjarhej Kauryha, seine Anstellung gekündigt. Er erklärt gegenüber TUT.BY, dass er „aufgrund der Ereignisse im Land“ seit der Präsidentschaftswahl nicht mehr für den Sicherheitsapparat tätig sein könne. „Ich kann die ständigen Verletzungen der aller rechtlichen Normen nicht mehr mit ansehen“, sagt Kauryha.
Sjarhej Kauryha ist 41 Jahre alt. Er arbeitete seit 23 Jahren bei der Polizei. Er begann im Patrouillendienst, war dann Bezirkspolizist und arbeitete später in der Polizeidirektion des Bezirsks Perschamaiskaje. In den letzten fünfeinhalb Jahren war er stellvertretender Leiter des Untersuchungsgefängnisses in Wizebsk.
Der Major gab seine Kündigung in seinem Facebook-Profil bekannt.
„Dienen möchte ich, aber mich anzudienen kotzt mich an… Ich habe meine Ehre!“ – schrieb Sjarhej Kauryha am 26. August zusammen mit einem Foto seines Dienstausweises.
„Ich habe mich bewusst für die Kündigung entschieden. Die Strafverfolgungsbehörden müssen sich in ihrer Arbeit von den gesetzlichen Bestimmungen leiten lassen und diese einhalten. Aber heute ist es sehr schwer, anzusehen, was in unserem Land geschieht, besonders in großen Städten: Minsk, Wizebsk und anderen. So gelangte aus mir unbegreiflichen Gründen Sjarhej Michaseu, bis zu seiner Pensionierung Leiter der kommunalen Polizeibehörde bei uns in die Untersuchungshaft. (Michaseu war Mitglied der Initiativgruppe des Präsidentschaftskandidaten Wiktar Babarika. Am 9. August wurde der ehemalige stellvertretende Leiter der Polizeibehörde in der Nähe der Schule Nummer 45 festgenommen, wo er das Abstimmungsprotokoll der Präsidentenwahlen seines Wahllokals einsehen wollte. – TUT.BY). Ich habe keine Ahnung, was der von mir hoch geachtete Oberst Michaseu bei uns in der Zelle sollte. Als ich ihn dort sah, löste das bei mir tiefe kognitive Dissonanz aus. Die ihn festgenommen hatten waren seine früheren Untergebenen!“
Zum Zeitpunkt der Kündigung wären es nur fünf Monate bis zum regulären Ende des Arbeitsvertrags von Kauryha gewesen.
Ich habe sehr bewusst für die Polizei gearbeitet, habe stets mein bestes gegeben. Ich hatte noch bis zum Vertragsende im Januar 2021 zu arbeiten. Aber es wurde völlig unerträglich. Die menschliche Geduld kommt irgendwann an ihr Ende. Ausschlaggebend für meine Kündigung waren die aktuellen Verhältnisse im Land: Es gibt keine Herrschaft des Rechts. Die Leitung des Sicherheitsapparates spielte eine wichtige Rolle bei meiner Entscheidung. Und ich kündigte, obwohl das Geld, das ich beim Abschluss des Arbeitsvertrages erhalten hatte, an den Staat zurückzahlen muss. Das sind ungefähr 4600 Rubel (etwa 1500 Euro). Aber ich hoffe, ich kann bald eine Anstellung finden und diesen Betrag zurückzahlen.
Sjarhej Kauryha sagte, dass seit dem 25. August von der Arbeit ferngeblieben sei: „Da ich die Vertragslaufzeit nicht erfüllt habe, hätte es keine Kündigung in gegenseitigem Einvernehmen gegeben. Deshalb habe ich die Vorgesetzten informiert, dass ich nicht weiter zur Arbeit erscheinen werde, da ich den Dienst nicht fortsetzen will.“
Der ehemalige stellvertretende Leiter des Untersuchungsgefängnisses wurde am 27. August entlassen. Die Reaktionen der Kollegen fielen unterschiedlich aus:
So viele Meinungen wie Leute gab es. Der eine unterstützt mich, der andere verurteilt mich, wieder jemand anderer versteht nicht. Aber glauben Sie mir, es gibt viele gute Leute bei der Polizei. Und auch im OMON und allen seinen Sicherheitseinheiten. Mit den Kollegen hatte ich stets ein gutes Verhältnis. Nachdem ich meinen Beitrag auf Facebook gepostet hatte, versuchten einige Leute, mich in ein negatives Licht zu rücken, und dichteten mir an, ein Säufer zu sein. Und Sjarhej Michaseu wurde beschuldigt, als er das Polizeirevier von Perschamaiskaje leitete, in mir so „schlechten“ Offizier „herangezogen“ zu haben. Ich würde die Handlungen der Gruppenmoderatoren, die solchen Dinge über mich und Herrn Michaseu schreiben, als primitiv nennen. Und ich möchte diejenigen, die Verleumdungen verbreiten, daran erinnern, dass man für das was man sagt, verantwortlich ist.
Sjarhej Kauryha konnte nicht genau sagen, wie viele Menschen nach den Verhaftungswellen vom 9. bis 11. August im Wizebsker Untersuchungsgefängnis festgehalten wurden.
„Es waren eine Menge Leute da. Aber ich kann Ihnen keine genauen Zahlen geben“.
Kauryha betont, dass die Menschen in seinem Untersuchungsgefängnis nicht geschlagen wurden.
Dort, im Untersuchungsgefängnis, blieb alles im rechtlichen Rahmen, es gab keine Gewalt gegen Menschen, es gab keine Verletzung von Menschenrechten. Die Menschen wurden nicht geschlagen. Sie bekamen alles, worauf sie Anspruch haben. Eine andere Frage ist, warum sie in das Untersuchungsgefängnis eingeliefert worden waren.
Was sagen Sie zu der massenhaften Verprügelung von Belarusen während der friedlichen Proteste in Minsk und Brest, dem Einsatz von Gummigeschossen und anderer Spezialausrüstung durch die Sicherheitskräfte, der Folter im Untersuchungsgefängnis Akrescina, von der die Opfer berichten?
Ich habe das gelesen und Nachrichten diesbezüglich gesehen. Ehrlich gesagt, konnte ich mir das gar nicht vorstellen. Das war in Wizebsk nicht der Fall. Aber in Minsk und Brest gab es offensichtlich entsprechende Befehle. Aber ich kann diese Frage nicht an ihrer Stelle beantworten. Ich kann nur sagen, wie es in unserem Untersuchungsgefängnis ablief.
Die Polizeibehörde des regionalen Exekutivkomitees in Wizebsk äußerte sich nur sehr lakonisch zur Kündigung von Sjarhej Kauryha:
„Der Polizeibeamte wurde wegen Verstoßes gegen die Bestimmungen des Dienstvertrags, nämlich wegen Nichterscheinens zum Dienst entlassen.“