Gesprächsmitschnitt mit Aussagen über den Mord an Taraikowski und um die Errichtung von Lagern für politische Gefangene in Belarus veröffentlicht
15. Januar 2021, 10:26 | TUT.BY
Die Initiative BYPOL hat einen Gesprächsmitschnitt veröffentlicht, in der ein Mann mit der Stimme, die der von Mikalaj Karpjankoŭ, dem früheren Chef der Hauptabteilung zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität und Korruption (GUBOPiK), dem derzeitigen stellvertretenden Innenminister und dem Polizeioberst gleicht, über die Tötung von Alexander Taraikowski spricht. Weiterhin geht es um ein Treffen mit Lukaschenko, bei dem dieser den Sicherheitskräften erklärt, wie sie gegen friedliche Proteste und Demonstranten vorgehen sollten.
Unter anderem erzählte der Mann mit der Stimme von Karpjankoŭ, dass die Einsatzkräfte von dem Staatsoberhaupt „umfassend in Bezug auf den Einsatz von Waffengebrauch abgesichert sind“, und er berichtete auch, dass Alexander Taraikowski durch ein Gummigeschoss, das „seine Brust getroffen hatte“, starb.
Nach den Äußerungen der Person, die in dem Mitschnitt zu hören ist, entstand er wahrscheinlich gegen Ende Oktober, da man den Satz hört: „Deshalb wurde Iwan Uladsimirawitsch Kubrakoŭ, zum Minister ernannt, heute wurde er in den Rang des Generalleutnants befördert“ (dies geschah im Palast der Unabhängigkeit bei einer Zeremonie am 30. Oktober).
TUT.BY stellt die vollständige Abschrift des Mittschnitts bereit.
„Nun, macht ihn fertig, verstümmelt ihn, verkrüppelt ihn oder tötet ihn!“
Zu Beginn der Aufnahme spricht die Person über die russische Jarygin-Pistole, die die belarusischen Sicherheitskräfte offenbar zur Bewaffnung erhalten haben. Nach den Geräuschen auf der Aufnahme zu urteilen, hält die Person die Pistole in der Hand und demonstriert anderen Menschen, wie sie funktioniert. Darüber hinaus erwähnt die Person, die über die Pistole spricht, Alexander Taraikowski, der am 10. August erschossen wurde.
„Wir haben, das muss ich sagen, eine sehr mächtige Waffe bekommen. Offenbar haben sie [das Geräusch eines klickenden Pistolenbolzens] die russische Jarygin-Pistole zum Vorbild genommen. Sie, natürlich die Russen, wollten die Schweizer SIG Sauer kopieren und das Ergebnis war die Jarygin-Pistole.
In dieser Position sieht sie so aus, als ob sie auf der Sicherung liegt, aber damit sie auf der Sicherung liegt, muss man nur… Jeder muss das früher oder später tun. Der hybride Krieg wird nicht enden, deshalb wird jeder diese (Pistole) benutzen müssen, wir müssen einen kleinen Abzug machen, wir setzen sie auf den Abzug, und da, es stellt sich heraus, sie legt sich selbst auf die Sicherung.
Und selbst, sozusagen, wenn man sie geladen nimmt… braucht man das nicht, sie schießt nicht, denn sie auf der Sicherung liegt. Und wenn man sie entsprechend entsichert [sagt etwas Unverständliches], gibt sie einem trotzdem das Gefühl, dass sie überhaupt keine tödliche Waffe sei.
Wir haben also gestern einen Karton genommen. Wir haben ihn in vier Lagen gefaltet, auf einen Stuhl gestellt [sagt etwas Unverständliches] und so getestet. Das Ergebnis ist: Der Karton wurde durchbohrt, der Stuhl wurde auch durchbohrt, und es ist klar, wodurch er gestorben ist, dieser ‚Säufer‘ und ‚Idiot‘, wie heißt er gleich?“
[In diesem Moment sind andere Stimmen in dem Mitschnitt zu hören: „Taraikowski“]
„Ja, Taraikowski, ja, ein Säufer und Idiot. Er starb natürlich durch ein Gummigeschoss, das seine Brust getroffen hatte. Er stand dort in einem T-Shirt, und ich denke, die Kugel wird an der Außenseite des T-Shirts nicht hängen geblieben sein.
Russische Waffen, nichttödliche Waffen, unterscheiden sich bei kurzer Entfernung nicht von Kriegswaffen, denn ein armer Russe braucht natürlich Schutz vor einem Tschetschenen oder einem Dagestaner, klar doch, oder? Außerdem ist das ein Land mit einem kalten Klima, also dort… dort trägt ein großer Teil der Leute, die Hälfte von ihnen, Mäntel aus Schaffell.
Deshalb haben wir uns (an die Russen) gewendet. Wir sagten, wir haben nicht genug, wie man sagt, nichttödliche Waffen. Deshalb müssen wir unsere Probleme hauptsächlich mit dem Gummiknüppel oder der Faust lösen. Neben diesen (Gummiknüppel und Faust), verwenden wir in Ausnahmefällen Blendgranaten. Manchmal wenden wir bestimmte Tricks an, um Straßen frei zu räumen. Aber wir brauchen natürlich eine nichttödliche Waffe. Im Ergebnis wurden auf Anweisung des Staatsoberhauptes 100 Pistolen gekauft: 30 gingen an die Spezialeinsatzkommandos des Innenministeriums (SOBR), 20 gingen an ‚Almaz‘ und 50 Pistolen wurden uns übergeben.
Wenn eine Gruppe für eine einfache Aufgabe irgendwo rausfährt, wie es bei uns damals war, als Alkewitsch rausfuhr, man musste diesen Idioten, den Motorradfahrer festnehmen, und dort kam es zu der Situation, in der er ‚fertiggemacht‘ wurde. Wunderbar, das heißt, wir brauchten zwei oder drei solcher Pistolen. Daher habe ich als Vorgesetzter entschieden, dass wir für besonders schwierige Aufgaben eine zusätzliche [undeutlich] brauchen, die eine unglaubliche Kraft hat.
Also, wie der Präsident sagte, wenn sie auf dich losgehen, wenn sie dich angreifen, gebrauche die Waffe, also, die nichttödliche Waffe. Zielt mit der Waffe direkt aus nächster Nähe in die Beine, in den Bauch, in die Eier. Damit der Getroffene versteht, was er getan, was er verbrochen hat, damit er nie mehr zu der Verfassung zurückkehrt, in der er vorher war. Nun, macht doch etwas, verstümmelt ihn, verkrüppelt ihn, tötet ihn. Zielt mit der Waffe direkt auf die Stirn, direkt ins Gesicht, genau dorthin, damit er danach nie mehr in den Zustand zurückkommt, in dem er vorher war.
Wenn man ihn wiederbelebt, sollte man ihn halt wiederbeleben. Das halbe Gehirn wird er verloren haben, nun, geschieht ihm recht so. Denn im Grunde genommen sind alle, die heute auf die Straße gehen, um beim Schienenkrieg mitzumachen, diejenigen, die Straßen blockieren, die Polizei angreifen, Molotow-Cocktails werfen, auch Terroristen. Diese Menschen sind in unserem Land überflüssig. Und um dieses Thema ging es heute sehr oft, bei diesem kleinen Treffen, das der Staatschef abgehalten hat.
Und heute sagte der Präsident: Ich weiß, wer, ich weiß was. Ich weiß, wer alle hier sozusagen eingelullt hat, und ich weiß, sagte er, auf wem, die Ordnung in unserem Staat im Moment sozusagen ruht. Wenn die Polizei ihre bisherigen Aufgaben weiterhin ausführt – und sie führt sie erfolgreich aus, denn die Kriminalitätsrate ist ja gesunken – und die Polizei zusätzlich die Aufgabe bekommt, alle, das Staatsoberhaupt, seine Umgebung und seine Familie, zusammen mit dem Geheimdienst, und die Abgeordneten und die Beamten, die den Staat leiten, vor diesen Bedrohungen zu schützen, aber auch, sozusagen, auf den Straßen für Ordnung zu sorgen.
Es ist die Zeit gekommen, da kein Sicherheitsbeamter, nicht einmal ein Bereitschaftspolizist, zu Unruhen gehen sollte, ohne eine Schusswaffe dabei zu haben. Es ist also eine neue Zeit gekommen. Heute ist die Zeit für harte Handlungen mit Hinblick auf die politischen Aspekte, da wir ein Land sind, das in die Weltgemeinschaft integriert ist und verpflichtet ist, eine Reihe von bestimmten Handlungsweisen einzuhalten, damit wir nicht als Ausgestoßene dastehen. – Diese Zeit – sie ist vorbei. Es ist eine andere Zeit angebrochen, und diese Zeit erfordert jüngere, entschlossenere Menschen, die über sich hinauszuwachsen können.
Und das Wichtigste ist, dass es unter unseren Leuten, unter uns Anführer gibt, und das ist die Hauptbotschaft des Ministers: diese Anführer dürfen uns nicht enttäuschen. Damit alle leben können, gesund sind, ihre Aufgaben erledigen, ihr Dinge in Ordnung bringen und in ihrer täglichen Arbeit weitermachen.
Aus diesem Grund wurde Iwan Uladsimirawitsch Kubrakoŭ zum Minister ernannt. Heute wurde er in den Rang des Generalmajors erhoben. Dies ist ein Zeichen großes Vertrauens und eine große Verantwortung für alle Mitarbeiter des Innenministeriums. Er ist nicht von außerhalb gekommen, sondern war Leiter der Hauptverwaltung für innere Angelegenheiten (GUVD), einer der das Ganze an sich gezogen hat und mitten im Geschehen war. Und ich sage ihnen, dass ich manchmal wenn ich nach Hause komme, im Traum die Stimme Kubrakoŭs und seiner Männer höre.
Daher wurde er zum Minister ernannt und erhielt die weitreichendsten Befugnisse sowohl in Bezug auf Waffen, als auch in Bezug auf Taktik und auf den Einsatz besonderer Mittel und Gewaltanwendung gegen Demonstranten. Die ganzen Schläge ausführe, nur damit sie sich neu gruppieren, sich die ganze Zeit neue Kombinationen auszudenken, immer in der Offensive bleiben. Wer angreift, ist der Meister der Situation, wer sich verteidigt – ist ein Opfer, eine Beute.“
„Im Land hat nur eine Seite das Recht, Waffen einzusetzen – das ist der Staat“
„Der Präsident sagte auch, dass wir vor Dezember mit allen diese Unruhen, die es da draußen gibt, fertig werden sollen, und zwar mit aller Härte. Alles wurde allen erklärt, die Verfassung wurde vorgestellt. Er sagte auch, dass er nicht für eine weitere Amtszeit kandidieren wird. Auf einfache, menschliche, männliche Weise sprach er mit uns. [Der Präsident sagte] Ich weiß, wenn ich ihrem Drängen nachgebe und jetzt gehe, werden sie alle einfach zugrunde gehen, sie werden alle vernichtet, und viele Leute hier im Saal auch. Es wird Säuberungen und Schikanen geben. Das Menetekel ist an die Wand geschrieben: ‚Wir werden kommen, wir werden alles zerbrechen‘ – so wird es werden. Dass die Hauptabteilung gegen organisierte Kriminalität aufgelöst wird, die internen Truppen aufgelöst werden, die OMON auf die Knie gezwungen, gedemütigt und so weiter und viele andere, wen auch immer sie wollten. Daher müssen wir für Ordnung sorgen und wir werden für Ordnung sorgen. Hier sind die Anweisungen des Staatsoberhauptes. Die Kommandeure sollten die Aufgabe stellen, – hier ist die Aufgabe, wir haben die Waffe in unseren Händen bekommen, wir haben sie.
Wie Väterchen Lenin, sagte: Im Land hat nur eine Seite das Recht, Waffen einzusetzen – Das ist der Staat. Alle anderen, die zu den Waffen greifen, sind Banditen. Banditen und Terroristen und die Haltung ihnen gegenüber sollte dementsprechend sein.
Diese Anweisungen, diese Leute nur mit Farbe zu besprühen, nur mit Gas und nichts anderem und nicht mit Wasser zu bespritzen. Aber diese Maschine [der Wasserwerfer] stößt gemäß ihren technischen Eigenschaften 200 Liter Wasser pro Sekunde aus. Auf das Ziel. Verstehst du, es ist so, als würde ein Fass Wasser auf dich geworfen. Es trifft dich mit einer solchen Kraft, dass, wenn eine Person nicht weit entfernt ist oder nicht hinter einer Säule steht oder sich in einer Menschenmenge befindet, sie zerschmettert werden kann. [unverständlich]… nur so kann man sie einsetzen. Und unbedingt mit Gas. Der Einsatz von Gas ist verpflichtend!“
„Für die besonders Aufsässigen soll ein Lager gebaut werden“
„Zur Zeit wird eine Datenbank erstellt. In dieser Datenbank sollte jeder, der zum zweiten Mal festgenommen wird, erfasst werden. Wir sollen ein Lager planen und errichten, ein Lager nicht für Kriegsgefangene und nicht einmal für Internierte, sondern ein Lager für besonders Aufsässigen, zu ihrer Aussiedlung. Und das Gelände drumherum ist mit Stacheldraht zu sichern. Zwei Gebäude müssten errichtet werden: ein Heizungsraum – eine Etage zum Essen – eine Etage zur Arbeit. Und dort sollten sind sie festgehalten werden, bis sich alles beruhigt hat.
In Bezug auf Waffengebrauch sind wir durch das Staatsoberhaupt umfassend abgesichert Verrückt, sagt er, sofort, er sagt, es ist natürlich nicht nötig, sofort zu schießen. Es sei notwendig, einer Person in dieser Situation eine Chance zu geben, damit sie bewusst überlegen kann. Aber, wenn sie nicht begreift, dann einfach schießen und erschießen! Denn so ist die Zeit, es ist keine Zeit für Farbrevolutionen, – sondern für hybride Kriegsführung.
Und wenn wir uns nicht wehren, ist als nächstes die Russische Föderation an die Reihe, die Russische Föderation, sie wird zusammenbrechen, und dann, sagt er, wird von diesem Belarus nicht viel übrig bleiben, es wird zwischen Litauen, der Ukraine und Polen aufgeteilt werden. Es hat schon seinen Grund, dass der Minister sagte: Alles ruht auf dem Innenministerium und einer Reihe von Einheiten – Innere Truppen, Hauptverwaltung für innere Angelegenheiten (GUVD), Polizei-Sondereinheit OMON, unsere Einheit und Kriminalpolizei sind mit uns. Das ist im Prinzip alles.
Er sagte, dass jeder ausgezeichnet werden würde (Am 30. Dezember 2020 überreichte Alexander Lukaschenko Auszeichnungen an Strafverfolgungsbeamte, darunter Mikalaj Karpjankoŭ, – Anm. TUT.BY). Er sagte, dass selbst wenn es Tausende von Auszeichnungen gäbe, diejenigen, die sich in direkten Konfrontationen bewähren, den Orden ‚für persönlichen Mut‘ erhalten würden. Diejenigen, die in Zusammenstößen gewesen sind, Aufgaben durchgeführt haben, beharrlich Härten ertragen haben, sollten mit der Medaille ‚Für Auszeichnung im Schutz der öffentlichen Ordnung‘ ausgezeichnet werden. Selbst wenn es, wie er sagt, Tausende sind, werde ich diese Auszeichnungen unterschreiben, sagt er. Das ist im Grunde alles, was der Präsident heute gesagt hat.“
Der Leiter des Nationalen Krisenstabs Pavel Latushka kommentierte den Gespächsmitschnitt und sagte mit Bestimmtheit, dass dies nicht toleriert werden kann. „Nach Karpjankoŭs Äußerungen kann niemand mehr den geringsten Zweifel haben: Alle Gräueltaten in Belarus geschehen auf Weisung Lukaschenkos und mit seinem Wissen. Karpjankou benennt die Hauptaufgabe der Polizei direkt: Nicht etwa der Schutz der Bevölkerung, sondern der Schutz Lukaschenkos und seiner Familie, der Schutz von Abgeordneten und anderer Personen, die den Staat regieren“, betont der Politiker. „Karpjankou gibt den Sicherheitsbeamten die direkte Erlaubnis, Demonstranten zu verkrüppeln und zu töten, und er garantiert ihnen dabei die volle Deckung durch Lukaschenko. ‚Zielt mit der Waffe direkt auf die Stirn, direkt ins Gesicht, danach kehren sie nie mehr zu der Verfassung zurück, in der sie vorher waren. In Bezug auf Waffengebrauch sind wir durch das Staatsoberhaupt von allen Seiten abgesichert‘, erklärte Karpiankou. Er gesteht ein, dass Taraikowski von Sicherheitskräften erschossen wurde. Er nennt die Demonstranten überflüssige Leute und verspricht allen Ernstes, dass für sie ein spezielles Umsiedlungslager errichtet werde, das von Stacheldraht umgeben ist.“
Pawel Latuschko versicherte, dass die Tonaufzeichnung allen europäischen Institutionen, der OSZE, dem Europarat, dem UN-Sicherheitsrat, dem UN-Menschenrechtsrat, sowie den Regierungsbehörden Russlands und der Vereinigten Staaten zugesandt werde. „Wir werden die Frage der Einstufung des Lukaschenko-Regimes als terroristisch ansprechen. Noch einmal rufen wird die internationalen Institutionen dringend auf, ein internationales Straftribunal für Belarus einzurichten“, fügte der Politiker hinzu.