Oberst der Militärakademie gibt öffentlich den Befehl, auf Demonstranten zu schießen; Tichanowskaja schlägt vor, dass Norwegen und Estland neue Anhörungen zu Belarus im UN-Sicherheitsrat abhalten; Belarus*innen, die Hilfe von der Stiftung By_help erhielten, werden zum Verhör vorgeladen
8. April 2021 | Voice of Belarus
Der Oberst der Militärakademie gab öffentlich den Befehl, auf Demonstranten zu schießen
Die BYPOL-Initiative ehemaliger belarusischer Sicherheitsbeamter veröffentlichte eine Audioaufnahme, in der Sjarhej Masouka, Oberst der Militärakademie und Leiter der Abteilung der allgemeinen Militärfakultät, seine Kadetten genau instruiert, wie sie sich bei Protesten Anfang August 2020 zu verhalten haben. Der Oberst benutzt obszöne Ausdrücke, bedauert den Zusammenbruch der Sowjetunion und das Entstehen des unabhängigen Belarus. Er fordert die Kadetten auf, nichts zu fürchten und auf seinen Befehl hin mit scharfer Munition auf friedliche Demonstranten zu schießen. „…Ich werde eine Entscheidung treffen, ob ich selbst oder derjenige, der scharfe Munition hat, schießen sollte, und ich werde dann sagen: ,Feuer!‘ Das erste Mal schießen wir mit einer Platzpatrone nach oben und jemand … jemand wird dann scharf schießen.“
Tichanowskaja lud Norwegen und Estland ein, im UN-Sicherheitsrat neue Anhörungen zu Belarus abzuhalten
Swetlana Tichanowskaja besprach während eines Online-Treffens mit den Botschaftern von Norwegen, Estland, Finnland, Dänemark, Schweden, Island, den Niederlanden, Lettland und Kanada die bevorstehenden Verhandlungen für eine friedliche Lösung der Krise in Belarus. Sie schlug den Botschaftern von Norwegen und Estland vor, im UN-Sicherheitsrat neue Anhörungen zu Belarus einzuleiten. Norwegen und Estland sind nicht-ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrates, ein Status, der es ihnen erlaubt, Anhörungen zu organisieren.
Tichanowskaja besprach mit den Botschaftern die Möglichkeit der Verschärfung gezielter Sanktionen gegen Vertreter des Regimes, die Verabschiedung des vierten Paketes der EU-Sanktionen sowie die Unterstützung für belarusische Journalist*innen, Menschenrechtsverteidiger, Studenten- und Arbeiterbewegung und kleine Unternehmen, die unter Repressionen gefallen sind.
Bei dem Treffen wurde auch die Arbeit der Internationalen Plattform zur Straftäterverfolgung in Belarus (International Accountability Platform for Belarus, IAPB), besprochen, die dazu beitragen soll, Täter vor internationalen Gerichten zur Rechenschaft zu ziehen.
Belarus*innen, die von der Stiftung By_help Hilfe erhalten haben, werden zum Verhör vorgeladen
Belarus*innen, die von der Stiftung By_help Unterstützung bei der Zahlung von Bußgeldern für die Teilnahme an friedlichen Kundgebungen erhalten haben, werden zum Verhör vor das Ermittlungskomitee (EK) geladen und und sollen zur Rückzahlung der Bußgelder verpflichtet werden.
Gegen den Gründer der Stiftung By_help, Aljaxej Ljawontschyk, wurde ein Strafverfahren „wegen Finanzierung der Tätigkeit einer extremistischen Formation“ (Art. 361-2 des Strafgesetzbuches) eröffnet. Ljawontschyk glaubt, dass das Untersuchungskomitee versucht, durch den Druck auf Menschen, die Hilfe von der Stiftung erhalten haben, seine Beteiligung an den angeblichen Massenunruhen in Belarus zu beweisen. „In der belarusischen Gesetzgebung gibt es keine Einschränkungen, wer die Geldbuße zahlen kann. Dies steht nirgendwo geschrieben. Die doppelte Zahlung von Bußgeldern ist etwas, das absolut gegen den Geist des Gesetzes verstößt: Niemand kann zweimal für dasselbe Vergehen bestraft werden. So kann man eine Geldstrafe nicht nur zweimal, sondern dreimal oder viermal einkassieren“, sagte Aljaxej Ljawontschyk.
Eine pädiatrische Kardiologin mit 25 Jahren Erfahrung wurde für ihren Satz über die Polizei-Sondereinheit OMON entlassen
Aljona Baranawa, eine Kardiologin des Republikanischen Wissenschaftlich-Praktischen Zentrums „Mutter und Kind“, wurde innerhalb weniger Stunden wegen ihres Kommentars auf Facebook entlassen, weil sie Polizisten der Einsatzkräfte nicht behandeln wolle und ihnen gegenüber keine warmen Gefühle habe. Aljona wurde auch aus dem privaten medizinischen Zentrum „LODE“, wo sie in Teilzeit arbeitete, entlassen.
Aljona arbeitet seit 25 Jahren im Republikanischen Wissenschaftlich-Praktischen Zentrum und hatte in all dieser Zeit keine berufliche Beschwerden und Strafen von der Geschäftsleitung erfahren. Kranke Kinder kamen aus dem ganzen Land zu ihr, viele führte sie von der Geburt bis zum 18. Lebensjahr.
Aljonas Sohn wurde bei einem Protestmarsch verhaftet, und Aljona selbst half als Freiwillige den Festgenommenen auf Akreszina, half Menschen, die von der OMON -Sondereinheit verstümmelt wurden.
In Belarus herrscht ein sehr großer Mangel an Medizinern, dem Land fehlen 6,5 Tausend medizinische Fachkräfte, 4,7 Tausend offene Stellen entfallen auf Krankenpfleger und Fachärzte. Viele wurden nach den Protesten gefeuert oder gezwungen, das Land zu verlassen. Der kritische Mangel an medizinischem Personal verhindert jedoch nicht die Entlassung von Spitzenkräften.