Belarus Daily | 6. Jan

Einzelheiten der Razzia in den Innenhöfen von Minsk sind bekannt geworden; Kolesnikowa bleibt in Haft; Die orthodoxe Kirche erhielt eine Warnung von den Behörden; Versuche, den belarusischen Presseclub wegen eines für die Regierung unbequemen Projekts zu zerstören

6. Januar 2021 | BYHelp-Mediagroup
Junge Frauen mit rot-weißen Regenschirmen spazieren in Minsk. 6. Januar 2021.
Source: t.me/tutby_official

Details der Razzia in den Innenhöfen von Minsk

Am späten Abend des 5. Januar passierten in den Innenhöfen von Minsk empörende Festnahmen der Einwohner durch unbekannte Personen.

Im Wohngebiet „Nowaja Barawaja“ schlug ein Mann in Sportbekleidung einen Anwohner mit dem Fuß in den Bauch und nahm dann einen Gegenstand, der wie eine Pistole aussah, heraus. Laut Radio Freies Europa, handelt es sich bei dem Mann, der in den Bauch geschlagen wurde, um Wiktar Maros; der Mann wurde zuerst zur Polizeistation und danach ins Krankenhaus gebracht.

Festnahmen fanden auch in einem anderen Minsker Stadtteil, Urutschtscha, statt.

„Hier stehen vier Häuser und an Abenden treffen wir uns mit Nachbarn, um uns zu unterhalten. An diesem Abend sind wir auch zusammengekommen; ich habe aber nicht gezählt, wie viele von uns da waren – circa 15 bis 20. Es war ein reiner Zufall, dass alle herausgekommen waren. Alle standen entspannt nach dem Silvester, tranken Tee und lachten. Wir hatten keine Fahnen, keine Gegenstände in nationalen Farben – gar nichts. Aber über Politik haben wir natürlich gesprochen. Ein Nachbar hat uns eine Pizza gekauft, er wurde später festgenommen. Und dann haben wir Getrappel gehört und gesehen, dass ungefähr 15 Leute auf uns zustürmten!“ erzählt Anwohnerin Nadzeja. „Zuerst war nicht klar, wer es war. Sie kamen gerannt und begannen sofort zu schreien: „Mit dem Gesicht zur Wand!“… Die Leute stellten sich entlang der Hauswand und neben dem Hauseingang. Niemand hat Widerstand geleistet, alle waren verwirrt.“

Etliche Menschen wurden festgenommen und zur Polizeistation gebracht. Und anschließend wurden zwei der Festgenommenen ins Krankenhaus gebracht.

Einer von ihnen war Andrej Kinasch, der 38-jährige Business Analyst bei einem Minsker IT-Unternehmen. Gestern Abend ist der Mann in den Hof rausgegangen und konnte seine Familie erst heute um sechs Uhr morgens vom städtischen Klinikum Nr. 5. anrufen. Nach Angaben der Familie ist Andrej schwindelig, er hat Kopfschmerzen und Tinnitus. Im Krankenhaus wurde vorläufig eine mittelschwere Schädel-Hirn-Verletzung diagnostiziert, dies wird jedoch noch überprüft.

Unter den gestern in Urutschtscha Festgenommenen ist auch Waleryj Bondar, der Leiter des Verbands der Werbeorganisationen. „Der Vater hat eine Aussage gemacht, dass er von seinem täglichen Spaziergang über den Hof zurückkehrte. Er hat gesundheitliche Probleme; die Ärzte haben empfohlen, Spaziergänge zu machen“, sagten seine Angehörigen.

Am 6. Januar bestätigte die Polizei, dass 25 Personen wegen Teilnahme an nicht genehmigten Massenveranstaltungen festgenommen wurden. Laut der Hauptverwaltung für Innere Angelegenheiten „haben einige davon den Polizisten Widerstand geleistet“; und der Polizist trat einem Bürger in den Bauch, um „die Entfernung zu vergrößern“.

Es laufen bereits Gerichtsverfahren gegen die Inhaftierten. Alle werden der Teilnahme an nicht genehmigten Massenveranstaltungen beschuldigt. Bisher sind die Ergebnisse wie folgt: entweder 10 Tage Haft oder eine Geldstrafe.

Festnahmen in einem Minsker Innenhof.
Source: TUT.BY

Die Haft von Maria Kolesnikowa wurde verlängert

Die Ermittlung verlängerte die Haft von Maria Kolesnikowa um weitere zwei Monate. Sie bleibt bis zum 8. März in der Untersuchungshaftanstalt in Schodsina. Maria Kolesnikowa wurde am 8. September in Minsk festgenommen. Sie wurde praktisch auf offener Straße entführt. Anschließend versuchte man, sie ins Ausland abzuschieben. Sie zerriss ihren Pass und weigerte sich, Belarus zu verlassen. Sie wurde in die Untersuchungshaftanstalt Nr. 1 in Minsk als Verdächtige in einem Strafverfahren gebracht. Maria Kolesnikowa wird vorgeworfen, dass sie mittels Medien und des Internets zu Handlungen aufgerufen habe, die der nationalen Sicherheit der Republik Belarus schaden sollten. Die Verteidigung besteht darauf, dass Kolesnikowas Handlungen nicht darauf abzielten, der nationalen Sicherheit zu schaden, sondern einen Schaden zu verhindern.

Maria Kolesnikowa ist Mitglied im nationalen Koordinierungsrat, sie leitete das Wahlkampfteam von Viktar Babaryka und war seine Vertreterin im vereinigten Wahlkampfstab von Swetlana Tichanowskaja. Heute ist sie eine der Hauptfiguren der belarusischen Opposition, die sich für die Ideen der Gleichheit und Gerechtigkeit einsetzt.

Maria Kolesnikowa.
Source: TUT.BY

Der Presseclub wurde wegen des „Projekts des öffentlichen Fernsehens“ zerstört

Eine bekannte Medienmanagerin und die Gründerin des Presseclubs Julia Slutzkaja wurde am 22. Dezember festgenommen. Am selben Tag wurden auch die Programmdirektorin Ala Scharko, der Finanzdirektor Siarhei Alscheuski, der Leiter der Akademie des Presseclubs Siarhei Jakupau, der Kameramann Pjotr Slutzki sowie die ehemalige Journalistin des belarusischen Fernsehens Ksenija Lutzkina festgenommen.

Seitdem befindet sich Julia im Gefängnis und konnte erst jetzt durch ihren Anwalt ein Interview geben, in dem sie über die imaginären und wahren Gründe erzählt, warum die Behörden versuchen, den Presseclub zu zerstören.

Laut Julia Slutzkaja erfuhr sie zunächst von dem Ermittler, dass das Gerichtsverfahren wegen Steuerhinterziehung mit dem „Projekt des öffentlichen Fernsehens“ zusammenhängt, das ehemalige Journalisten des staatlichen Fernsehens angeblich organisieren wollten.

„Die Akademie des Presseclubs hat in der Tat einen Hackathon der Medienprojekte veranstaltet. Es gab über 30 Bewerbungen. Eine Jury aus Medienexperten und Investoren wählte sieben Projekte aus, die in den Inkubator aufgenommen wurden. Die Projekte richteten sich an unterschiedliche Alters- und Zielgruppen und hatten nichts mit Politik zu tun. Eins der Projekte, das gewonnen hat, war ein Videoprojekt, aber es hat nichts mit dem Fernsehen zu tun.“

Laut dem Anwalt ist Julia Slutzkaja davon überzeugt, dass ihre Festnahme und die Zerstörung des Presseclubs als der Institution, die unabhängigen Journalismus förderte, mit ihrer beruflichen Tätigkeit zusammenhängt.

Am 6. Januar überwiesen die Verwandten der inhaftierten Mitarbeiter des Presseclubs auf das Konto des Zentralbüros des Ermittlungskomitees eine Entschädigung in Höhe von 110.000 belarusischen Rubel (fast 35.000 Euro). Nach Angaben des Ermittlungskomitees ist das der Betrag, den der Presseclub hinterzogen haben soll.

Julia Slutzkaja.
Source: TUT.BY

Es ist bekannt geworden, wie viele Mitarbeiter der Polizei seit dem Beginn der Proteste gekündigt haben

Die Initiative BYPOL hat ein Dokument veröffentlicht, das angeblich aus dem Innenministerium stammt. Es enthält die Anzahl der Mitarbeiter des Innenministeriums sowie einige andere Statistiken des Ministeriums.

Die Authentizität des Dokumentes konnte nicht überprüft werden. Aber wenn man dem Dokument glaubt, beträgt die Anzahl der Mitarbeiter des belarusischen Innenministeriums insgesamt etwas mehr als 46.000 Personen.

Das Dokument enthält auch Informationen bezüglich des Personalabbaus. Unter anderem wird behauptet, dass in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres fast 2.100 Mitarbeiter des Innenministeriums den Dienst quittiert haben, davon mehr als 1.000 in den Monaten von Juli bis September.

Source: TUT.BY

Die Behörden haben der belarusischen orthodoxen Kirche eine Warnung erteilt

Der belarusischen orthodoxen Kirche wurde eine Warnung erteilt. Es geschah am 27. November, wurde jedoch erst jetzt bekanntgegeben. Was die Warnung verursacht hat, ist unklar. Im Dokument steht, dass die Kirche verpflichtet ist, sich an den Artikel 16 der Verfassung (dass die Aktivitäten der Kirche gegen die Souveränität von Belarus nicht gerichtet sein dürfen) und den Artikel 8 des Gesetzes über Gewissensfreiheit und religiöse Organisationen (dass politische Maßnahmen in den religiöse Einrichtungen verboten sind) zu halten. Wenn die belarusische orthodoxe Kirche eine weitere solche Warnung innerhalb eines Jahres erhält, kann das Gericht ihren rechtlichen Status widerrufen und ihre Tätigkeiten in Belarus verbieten.

Source: NN.BY

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