Tausende von Belarusen setzen ihre Proteste fort und werden dabei nach wie vor verhaftet und schwer misshandelt. Brest verabschiedet sich von einem Aktivisten, der nach seiner Entlassung aus der Haft verstarb
6. Dezember 2020 | BYHelp-Mediagroup
120. Tag der Proteste und Tausende Belarusen wieder auf den Straßen ihrer Städte!
Der 6. Dezember ist der 120. Tag der Proteste in Belarus. Dieser Sonntag begann, wie die vorangegangenen auch, mit Kolonnen von Spezialtechnik in verschiedenen Stadtteilen von Minsk. Drei U-Bahnstationen im Stadtzentrum wurden geschlossen, etwa eine Stunde später wurden sie jedoch wieder geöffnet. Die Behörden blockierten die Arbeit der Telegram-Kanäle, der wichtigsten Informations- und Kommunikationsquelle für die Demonstranten. Außerdem wurde das mobile Internet abgeschaltet.
Die Demonstranten verfolgten eine Taktik der Dezentralisierung. Im ganzen Land zogen die Belarusen in Kolonnen durch ihre Stadtteile. Allein in Minsk gab es Dutzende solcher Kolonnen. Auch in vielen Städten des Landes gingen die Menschen auf die Straße: Mahiljou, Hrodna, Homel, Nawahrudak, Dsjarshynsk, Lahoisk und andere.
Gewalt durch Einsatzkräfte hält unvermindert an: Inhaftierte werden nach wie vor gefoltert und geschlagen
Nach Angaben des Pressedienstes der Polizei wurden heute in Minsk über 300 Personen festgenommen.
Es wurde ersichtlich, dass die Polizisten ihre Taktik an das neue Verhalten der Demonstranten angepasst haben. Mobile Gruppen von Einsatzkräften tummelten sich in der Nähe potenzieller Versammlungen und griffen präventiv Menschen auf der Straße an. In vielen Gebieten kam es erneut zu Massenverhaftungen.
Unter den heute Inhaftierten befinden sich die legendäre Nina Baginskaja sowie die 79-jährige Mutter der Journalistin Hanna Sous (die Frauen wurden alsbald freigelassen), der berühmte Dichter und Sänger Ulads’ Ljankewitsch, der Kieferchirurg Artur Jermarkewitsch, der stellvertretende Dekan der Belarusischen Staatlichen Technischen Universität Raman Asartschik und die Journalisten Maryna Charewitsch und Sjarhej Ljudkewitsch.
Die Sicherheitskräfte gehen nach wie vor äußerst brutal vor. Auf einer der Polizeiwachen wurden die Menschen mehrere Stunden lang auf der Straße vor dem Zaum mit dem Gesicht zur Wand zu Regungslosigkeit gezwungen.
Am Abend wurde bekannt, dass vor mindestens vier Polizeistationen Krankenwagen gesehen wurden und ein Opfer eine Schusswunde hatte.
Ein Aktivist aus Brest wurde begraben. Er starb einen Tag nach seiner Freilassung
Heute haben die Bewohner von Brest von dem Aktivisten Raman Raschezky Abschied genommen, der am 4. Dezember in seiner Wohnung gestorben war. Nach vorläufigen Informationen ist der Tod des 42-jährigen Mannes auf gesundheitliche Probleme zurückzuführen, es wurden keine Anzeichen eines gewaltsamen Todes am Körper des Bewohners von Brest gefunden. Raman hinterlässt vier Kinder.
Raman Raschezky war ein aktiver Teilnehmer der Protestbewegung. Im September wurde er wegen Teilnahme an einem Sonntagsmarsch zu 15 Tagen Haft verurteilt. Danach wurde er mehrmals festgenommen und verhaftet. Am Sonntag, dem 29. November, wurde Raman das letzte Mal festgenommen. Er wurde am 2. Dezember freigelassen. Am 3. Dezember führten Gerichtsvollzieher in Raschezkys Wohnung eine Bestandsaufnahme seines Eigentums durch. Grund dafür war ein unbezahltes Bußgeld wegen eines Verkehrsverstoßes.
Sein Kamerad Andrej Scharenda sagte, dass man viel Druck auf Roman ausübte. Er wurde verhaftet, er musste Geldstrafen zahlen, die Behörden suchten ständig nach neuen Methoden, um Roman unter Druck zu setzen.
„Dieser Tod kann nicht als zufällig bezeichnet werden, die Behörden bedrängten ihn ständig, so gut sie nur konnten. Gestern (einen Tag vor seinem Tod, am 3. Dezember, Anmerkung der Redaktion) brachen die Gerichtsvollzieher in seine Wohnung ein und nahmen das gesamte Eigentum auf: Handys der Kinder, einen Fernseher, den die Kinder nutzten, einen Computer und eine Waschmaschine. Ich habe das erlebt: das ist ein sehr starkes Mittel der psychologischen Erpressung. Die Gerichtsvollzieher deuteten an, dass der gesamte beschriebene Besitz am nächsten Tag weggenommen werden könnte“, sagte Scharenda.
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