Oberst der GUWD nennt den Krieg gegen das Volk „Blödsinn“; NAU bittet Visa und MasterCard, Bedienung staatlicher Banken zu kündigen; Polizei zwingt Unternehmen, Kunden zu überwachen
23. März 2021 | Voice of Belarus
Neues Leak von BYPOL: Oberst gibt zu, dass der Krieg gegen das Volk Blödsinn ist
Die BYPOL-Initiative hat die Aufzeichnung eines Gesprächs zwischen Aljaxander Sasonau, dem Leiter der Abteilung für Drogenkontrolle und Bekämpfung des Menschenhandels der Hauptverwaltung für innere Angelegenheiten (GUWD) des Minsker Stadtexekutivkomitees, und seinen Untergebenen veröffentlicht, in dem die Proteste und Handlungen der Sicherheitskräfte besprochen werden.
Auf dem Tonband verglich Sasonau die ersten Tage der Proteste mit einem Krieg und gab zu, dass „wahllos jeder geschnappt wurde“. Er glaubt, dass daran nichts auszusetzen ist – während eines Krieges starben auch Zivilisten, obwohl er zugab, dass dies „Blödsinn“ ist. Seiner Meinung nach bauten Leute, die „bezahlt wurden“, Barrikaden und stellten sich aktiv gegen die Sicherheits- und Rechtspflegebehörden, während normale Bürger in der Masse nicht an solchen Aktionen teilnahmen und friedlich protestierten.
Der Polizeioberst sagte auch, dass die Sicherheitskräfte während des „Hapuns“, (wahlloses Schnappen, Anm. des Übers.) nicht in der Lage waren zu verstehen, wen sie festnehmen sollten. Als Beispiel führte er die Geschichte an, wie die Sondereinheit OMON einen Rentner geschnappt hatte, der vom Fischen zurückkehrte (mit lebendem Fisch in seiner Tasche).
Am Ende enthüllte Sasonau einige Details der Taktik, in die Menge während der Proteste einzugreifen. Er besprach auch Mitarbeiter anderer Einheiten: „Die Polizei-Sondereinheit OMON arbeitet unprofessionell. Einfach hinzugehen, mit dem Fuß in den Rücken zu hauen und zu lachen, das war’s.“
NAU bittet Visa und MasterCard, die Bedienung staatlicher Banken zu kündigen
Das Zivilgesellschaftliche Krisenmanagement (NAU) schickte Briefe an eine Reihe von ausländischen Banken mit der Aufforderung, die Korrespondenzkonten von Banken, die Sicherheitsbehörden in Belarus bedienen, zu schließen, und forderte die Zahlungssysteme Visa und MasterCard auf, jegliche Beziehungen mit den belarusischen Staatsbanken, solange diese weiterhin die von den Sanktionen betroffenen Unternehmen und Personen bedienen, zu beenden.
Unternehmen werden gezwungen, dem Innenministerium bei der Überwachung von Personen zu „helfen“
Das Innenministerium verlangt von den Eigentümern von Minsker Restaurants, Bars, Cafés, Geschäften, Hotels, Märkten und Einkaufszentren, sich an das System der totalen Videoüberwachung Kipod anzuschließen und dafür eine monatliche Gebühr zu zahlen.
Das Kipod-System wurde von dem Unternehmen Synesis entwickelt, das im Dezember 2020 unter das dritte EU-Sanktionspaket fiel. Nach Ansicht der EU macht die entwickelte Kipod-Überwachungsplattform das Unternehmen zu einem Komplizen des Staates bei der Verfolgung der Zivilgesellschaft in Belarus.
In dem Versuch, die Sanktionen umzugehen, benannten einige Unternehmen der Synesis-Gruppe ihre juristischen Einheiten um, verweigerten aber nicht die Zusammenarbeit mit dem Regime.
Gerichtsurteile sind hart und Haftbedingungen unerträglich
Das Gericht in Hrodna verurteilte vier Personen zu 2,5 bis 5,5 Jahren Gefängnis. Einer der Verurteilten warf einen Pappbecher nach oben, um die Aufmerksamkeit der OMON-Polizisten, die die friedlichen Demonstranten verprügelten, abzulenken. Dafür erhielt er eine Haftstrafe von 2,5 Jahren.
Ein Kurier von menu.by wurde zu einer Geldstrafe von 1.740 Rubeln (560 Euro) verurteilt, weil er bei der Ausführung eines Auftrags am 27. März eine rote Markenweste trug. Ein Mann, der den Moment der Inhaftierung fotografiert hat, wurde zu 15 Tagen Haft verurteilt.
In Minsk wurde ein Mädchen festgenommen, das ein Video für TikTok, in dem es mit einer weiß-rot-weißen Flagge auf den Fliesen des Siegesdenkmals am Ewigen Feuer sitzt, aufgenommen hat. Die Polizei nannte es eine Entweihung des Denkmals. Gegen das Mädchen kann ein Strafverfahren eingeleitet werden.
Der 16-jährige Mikita Salatarou aus Homel steht unter neuer Anklage – wegen Angriffs auf einen Wachmann. „Mikita ist erst 16 Jahre alt, er wiegt 45 Kilogramm, – sagt Mikitas Vater. – Wie konnte er einen Angriff auf einen geschulten erwachsenen Mitarbeiter der Untersuchungshaftanstalt machen?“. Der Teenager leidet an Epilepsie, er wurde wiederholt im Gefängnis geschlagen und erhält seine Medikamente unregelmäßig.
Politische Gefangene melden unerträgliche Zustände und Misshandlungen in der Untersuchungshaftanstalt.
Palina Scharenda-Panasjuk, eine Aktivistin der Bürgerkampagne „Europäisches Belarus“, übergab einen Brief, in dem sie über die Folter in einer Brester Untersuchungshaftanstalt berichtete. Den Gefangenen ist es verboten, von 6 bis 22 Uhr ins Bett zu gehen. Für Versuche, sich hinzulegen, droht man mit dem Karzer. Solche Bedingungen gefährden unmittelbar die körperliche und geistige Gesundheit der Gefangenen und stellen in der Tat eine legalisierte Folter dar. Palina erzählte ihrem Anwalt auch von dem psychischen Druck und den Drohungen, die sie zuvor von Mitarbeitern von „Valadarka“-Gefängnis erhalten hatte.
Am 31. März verabschiedete die Regierung neue Normen für die Lebensmittel- und Hygieneversorgung von Häftlingen. Zum Beispiel hat eine Person Anspruch auf 25 Meter Toilettenpapier pro Monat, Seife – 200 Gramm, und für Frauen – 10 Binden.