Belarusische Machthaber: Kein Bedauern und kein Ende der Gewalt; Extremismus-Anklagen werden beliebig angewandt; Beispielloser Druck auf unabhängige Medien
29. April 2021 | Voice of Belarus
Makej in einem Interview mit Euronews: Die Reaktion der Regierung auf die „nicht friedlichen sondern gewalttätigen“ Proteste nach den Wahlen war angemessen
Außenminister Uladsimir Makej sagte in einem Interview mit dem in Belarus verbotenen Fernsehsender Euronews über die Aktionen der Sicherheitskräfte und der Regierung in Bezug auf die Demonstrant*innen: „Das Schicksal des Landes stand auf dem Spiel. Und wenn in dieser Situation das Schicksal des Landes in die eine Waagschale geworfen wird und in der anderen Waagschale die Dinge sind, über die Sie sprechen, einschließlich der Menschenrechte, bin ich überzeugt, dass sich die Führung jedes Landes dafür entscheiden würde, die Unabhängigkeit, die Staatlichkeit und Souveränität ihres Landes zu bewahren. Genau das hat die belarusische Regierung getan.“
Jetzt sei die Lage in Belarus „absolut normal“, meint Makej. Sie habe sich stabilisiert und es gebe keine Proteste. Ihm zufolge ist in Belarus ein „absolut exklusiver offener Dialog“ im Gange, der darauf abzielt, den verfassungsmäßigen Prozess zu verbessern und Änderungen in die Verfassung einzubringen.
Mikalaj Karpjankou bereit, mit der „blutrünstigen Opposition“ „aufzuräumen“
Die Regierung schüchtert die Belarus*innen offen vom Fernsehschirm aus ein. So sagte der stellvertretende Innenminister Mikalaj Karpjankou im Interview mit dem Fernsehsender: „Wir sind bereit zu handeln. Sobald wir den Befehl bekommen werden wir, wo auch immer sie sind, ohne jegliche Verjährungsfrist finden und vernichten. Wir werden die Welt freier und Belarus sicherer machen. Wir möchten unsere arrogante und blutrünstige Opposition daran erinnern, dass wir sie alle kennen. Wir wissen, wo sie sind, mit wem sie kommunizieren, welche Immobilien sie haben und wo ihre Familien sind.“
Mikalaj Karpjankou war früher Leiter von GUBOPiK [Hauptabteilung gegen das organisierte Verbrechen, Anm.] und hat sich im vergangenen Jahr persönlich aktiv an der Unterdrückung der Proteste beteiligt.
Jeder kann für alles wegen Extremismus angeklagt werden
Das Wort „Extremismus“ ist Lieblingswort des staatlichen Repressionsapparates geworden.
Unter anderem wurde der Telegrammkanal des Bloggers Eduard Paltschis PALCHYS als extremistisch eingestuft. Paltschys selbst ist seit dem 29. September 2020 in Haft.
Der Telegrammkanal „Schwarzes Buch von Belarus“ und seine regionalen „Töchter“ wurden in die Liste der in Belarus verbotenen Telegram-Kanäle aufgenommen.
Die in der Sache „Null ppm“ verurteilte TUT.by-Journalistin Kazjaryna Barysewitsch, wurde als zum Extremismus neigend registriert. Zuvor wurden die politischen Gefangenen Andrej Aljaksandrau und Irina Slobina sowie die Journalistinnen Kazjaryna Andrejewa und Darja Tschulzowa als „extremismusanfällig“ eingestuft. Ein solcher präventiver Eintrag bedeutet, dass der Gefangene unter besonderer Aufsicht der Gefängnisverwaltung steht. Seine Zelle ist mit einer braunen Karte markiert. In der Zelle selbst ist ein besonderer Ort markiert, an dem er sich in dem Moment befinden muss, in dem sich der Gefangene befinden muss, wenn der Aufseher hereinkommt.
Was in Belarus für staatliche und unabhängige Medien erlaubt ist: ein anschauliches Beispiel
Die Behörden erteilten der Chefredakteurin von TUT.by Maryna Solatawa eine offizielle Verwarnung für ein Banner auf der Website, das im Rahmen einer Partnerschaft mit den Werbenetzwerken von Yandex und Google angezeigt wurde, also ein Banner, über dessen Auswahl das Portal keinerlei Kontrolle hat. Auf dem Banner stand: „In Belarus gibt es 23.403 bewohnte Orte. Die Stadt gehört uns!“ Ein Screenshot dieses Banners wurde von der Zeitung der Präsidialverwaltung „SB. Belarus Today“ veröffentlicht, die offen dazu aufruft, die beliebtesten Internetmedien des Landes als extremistisch einzustufen.
Zur gleichen Zeit hat der regierungsnahe Journalist Ryhor Asaronak in seinem Telegramkanal ein Video gepostet, in dem der 19-jährige inhaftierte Arzjom Bajarski zugibt, dass er einen „extremistischen“ Kanal und Chatroom verwaltet und hinzufügt und dass er „schwul sei“. Wie Arzjom seinem Anwalt mitteilte, wurde er durch Schläge auf den Rücken und das Gesäß zu seiner Mitwirkung in dem Video gezwungen.
Schließlich zeigten die staatlichen Sender unter Verletzung des Anwaltsgeheimnisses eine Videoaufzeichnung eines Gesprächs zwischen dem politischen Gefangenen Sergej Tichanowski und seiner Anwältin Natalia Mazkewitsch.
Ärzte in Hrodna dürfen während der Arbeit keine Mobiltelefone benutzen
Gemäß der Anordnung des Chefarztes des Universitätskrankenhauses Hrodna wurde dem medizinischen Personal des Krankenhauses die Verwendung von Mobiltelefonen, Tablets, sowie von Foto- und Videokameras während der Arbeit untersagt und es wird kein Zugang zu sozialen Netzwerken gewährt. Während der arbeitsfreien Zeit muss das medizinische Personal die Selbstzensur einhalten und „seine Aussagen, Foto- und Videomaterialien analysieren, um Konfliktsituationen zu vermeiden, die den Ruf der Einrichtung schädigen könnten“.