35. Jahrestag der Tscharnobyl-Katastrophe durch neue Verhaftungswelle geprägt; EBU fordert von BTRK Erklärung für Videoaufnahmen der Folterungen von politischen Gefangenen; die unabhängige Presse moralisch und finanziell zerstört
26. April 2021 | Voice of Belarus
35. Jahrestag der Tscharnobyl-Katastrophe Grund für neue Welle von Inhaftierungen
Seit dem Morgen des 26. April, dem Tag, an dem sich der Unfall in Tscharnobyl vor 35 Jahren ereignete, gingen die Belarus*innen als Zeichen der Solidarität auf die Straße und in der U-Bahn erschienen Plakate mit der Aufschrift „Lügen sind schlimmer als die Strahlung“.
In früheren Jahren fand an diesem Tag der „Tscharnobyl-Schljach“ statt, ein Massenmarsch zum Gedenken an die Opfer der Katastrophe, gegen die Lügen des sowjetischen und Lukaschenko-Regimes. Alle öffentlichen Veranstaltungen wurden in diesem Jahr verboten.
Swetlana Tichanowskaja rief zum Gedenken an die Opfer der Tscharnobyl-Katastrophe auf: „Ich weiß sehr gut: ,Wenn man den Schmerz mit anderen teilt, wird es leichter.‘ Deshalb lade ich alle ein, heute um 20:30 Uhr in der Nähe des größten Gotteshauses in Ihrer Stadt Kerzen zum Gedenken an Tscharnobyl anzuzünden. Ich werde auch eine Kerze anzünden, damit eine solche Lüge, Gesetzlosigkeit und Menschenopfer in der Geschichte von Belarus nie wieder vorkommen.“
Unmittelbar nach dieser Erklärung begannen die Einsatzkräfte, sich im Zentrum von Minsk und anderen Städten zu sammeln. Männer in Uniform hielten zufällige Passanten an, durchsuchten ihre Taschen und Telefone und hielten sie fest. Laut denjenigen, die auf die Straße gingen, war eine Kerze in der Hand eine Garantie, festgenommen zu werden.
Viele Kirchen und Gotteshäuser im Zentrum von Minsk waren am Abend geschlossen.
EBU fordert von BTRK Erklärung für Videoaufnahmen der Folterungen von politischen Gefangenen
Kürzlich wandte sich Pawel Latuschka, Leiter des Zivilgesellschaftlichen Krisenmanagement (NAU), an die Europäische Rundfunkunion (EBU) mit der Bitte, die Beweise für die Beteiligung der Belteleradiokampanija (BTRK) an Folterungen zu prüfen. Staatliche Sender zeigen oft Verhöre von misshandelten politischen Gefangenen. Das NAU ist der Ansicht, dass BTRK als Auftraggeber für solche Inhalte auftritt.
Die EBU prüfte das eingereichte Video des Verhörs von Mikalaj Dsjadok und forderte eine Erklärung von BTRK.
Unabhängige Presse moralisch und finanziell zerstört
Uladsimir Janukewitsch, Chefredakteur der Baranawitschy-Zeitung Intex-press, wurde wegen eines Interviews mit Swetlana Tichanowskaja zu einer Geldstrafe von 180 EUR verurteilt. Dies ist die maximal mögliche Strafe für eine natürliche Person.
Die Geldstrafe in Höhe von 3.900 Euro für das Regionalmedium Hrodna.life bleibt bestehen – das Gericht hat die Beschwerde der Journalisten gegen das frühere Urteil abgelehnt. Die Grodno-Ausgabe erhielt eine solche Geldstrafe für die angebliche Informationsverbreitung des Telegram-Kanals von Stjapan Putila, der in Belarus als extremistisch eingestuft wird.
Festnahme wegen Geburtstagsgrußes und Verhaftung wegen Mahnwache am Mahnmal für Massenhinrichtungen
10 junge Menschen in Minsk wurden festgenommen, als sie ihrer Freundin zum Geburtstag gratulierten. Da sich die junge Frau wegen des Coronavirus in Quarantäne befand, kamen Freunde in Schutzanzügen und hielten Plakate in den Händen. Bald tauchten „Ordnungshüter“ hinter dem Nachbarhaus auf und hielten alle zusammen mit ihren Geschenken, Kuchen und Blumen fest.
Die Prozesse gegen Hanna Sсhaputka und Smizer Daschkewitsch, die in der Nähe von Kurapaty inhaftiert worden waren, wurden abgehalten. Sie waren auf der Wache in Kurapaty in der Nähe des Restaurants, das auf dem Platz der Hinrichtung von Zehntausenden von Belarus*innen in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts gebaut wurde. Hanna bekam 15 Tage Freiheitsstrafe, Smizer – 20.