Belarus Daily | 23. Dez

Zwangsexmatrikulierte Studenten werden durch Einberufung zum Militärdienst „bestraft“; kriminelles Komplott zum Schmuggel von Zigaretten nach Europa aufgedeckt – Diaspora in Deutschland beginnt Serie von Mahnwachen gegen Aleksins Partner; britisches Außenministerium setzt sich für Journalisten des belarusischen Presseclubs ein; erste Geigerin des Minsker Bolschoi-Theaters spricht über den Rauswurf von Künstlern

23. Dezember 2020 | BYHelp-Mediagroup
judjement day
„Das Jüngste Gericht“ von Vladimir Tsesler.
Source: facebook.com/vtsesler

In Belarus werden Studenten wegen Teilnahme an friedlichen Kundgebungen zum Militärdienst einberufen

In Belarus besteht Wehrpflicht für alle Männer, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Gleichzeitig wird unter anderem den Studierenden an den Hochschulen ein Aufschub vom Militärdienst gewährt. Wenn ein Mann nicht studiert, ist er im Alter zwischen 18 und 27 Jahren zum Militärdienst verpflichtet. Für Wehrpflichtige ohne Hochschulbildung beträgt die Dienstzeit 1,5 Jahre. Es sind zahlreiche Fälle von grausamer Behandlung von Soldaten, Mobbing, Selbstmord und Mord bekannt.

Im Oktober dieses Jahres wurden mehrere Studenten der Belarusischen Nationalen Technischen Hochschule (BNTU) wegen der Teilnahme an friedlichen Aktionen zwangsexmatrikuliert. Gleichzeitig erhielten sie den Musterungsbescheid. Die Studenten reichten eine Klage ein, weil sie die Zwangsexmatrikulation für illegal halten. Der Bescheid sagt nicht, für welchen Verstoß sie zwangsexmatrikuliert werden. Die BNTU verschleppt absichtlich die Gerichtsverhandlungen, damit die Männer in dieser Herbstrekrutierung zur Armee eingezogen werden, die augenscheinlich absichtsvoll bis zum 1. Januar 2021 verlängert wurde. Heute wurden mindestens vier illegal zwangsexmatrikulierte Studenten zum Wehrdienst eingezogen. Einer wurde beim Versuch, aus Belarus auszureisen, am Grenzübergang festgenommen. Ein anderer hatte die Musterung nicht abgeschlossen, die die Eignung für den Dienst bestätigen oder gesundheitliche Einschränkungen für den Dienst in der Armee feststellen soll. Ungeachtet dieses Umstands wurde der Mann zum Militärdienst in Slutsk gebracht. Ein anderer Mann schrieb im Telegrammkanal BNTU 97%, dass er um 6 Uhr morgens einen Anruf erhielt, dass er um 7 Uhr morgens ohne jegliche Klärung zum Wehrdienst eingezogen wird. Danach meldete sich der junge Mann nicht mehr. Wie die Einstellung zu den jungen Männern in den Kasernen sein wird, ob es einen unausgesprochenen Befehl geben wird, sie besonders hart zu behandeln, ist bislang nicht absehbar. Lukaschenko hat wiederholt Studenten, die an Protesten teilnehmen, mit Militärdienst oder Zwangsexmatrikulation gedroht.

Belarus Army
Source: adukar.by

In einem groß angelegten System für illegalen Zigarettenhandel stammt der Großteil des Schmuggelware aus Belarus

Die europäische Polizeiorganisation Europol hat ein System für den illegalen Handel mit Zigaretten aufgedeckt. Die Operation wurde von den Zollbehörden Litauens und Großbritanniens geleitet. Zigaretten landeten unter Umgehung der Zollkontrollen auf dem EU-Schwarzmarkt, was zu Steuerverlusten in Millionenhöhe führte. 67 Millionen Zigaretten und 2,6 Tonnen Tabak mit einem Gesamtwert von fast 36 Millionen Euro wurden beschlagnahmt. 88% der beschlagnahmten Zigaretten wurden in Belarus hergestellt. Die Produktionskapazitäten der belarusischen Tabakfabriken mindestens doppelt so hoch wie der Bedarf des belarusischen Binnenmarkts. Ein Unternehmen im Besitz von Alexej Aleksin ist der einzige Vertriebspartner von Neman, der größten Tabakfabrik in Belarus. Er hat außerdem eine Tabakfabrik in Minsk eröffnet. Aleksin ist einer der Geschäftsleute, die Alexander Lukaschenko am nächsten stehen. Trotzdem wurde Alexej Aleksin aus unbekannten Gründen von der endgültigen EU-Sanktionsliste gestrichen.

Vor diesem Hintergrund startete die belarusische Diaspora in Hamburg eine Reihe von Mahnwachen gegen die Körber AG, deren Tochtergesellschaften die zu Oleksin gehörenden Tabakfabriken in Belarus vollständig ausrüsten.

Belarusian Diaspora Germany
Source: twitter.com/belamova

Britische Diplomaten setzen sich für verhaftete Journalisten und Mitarbeiter des Press Club Belarus ein

Gestern fanden im Büro des Press Club Belarus Durchsuchungen statt. Mehrere seiner Mitarbeiter wurden verhaftet, einschließlich der Gründerin Julia Slutskaja, die unmittelbar nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub mit ihrer Tochter und ihren Enkelkindern auf dem nationalen Flughafen festgenommen wurde. Später wurde bekannt, dass der KGB prüft, ob die Organisation gegen die Steuergesetzgebung verstoßen hat, insbesondere, ob die Annahme großer Beträge aus dem Ausland rechtens ist. Vor dem Hintergrund der gegen das Lukaschenko-Regime verhängten EU-Sanktionen haben die Kontrollbehörden kürzlich die Überwachung von Geldeingängen aus dem Ausland an gemeinnützige und zivilgesellschaftliche Organisationen in Belarus verstärkt. Der Press Club Belarus besteht seit mehr als fünf Jahren und ist Teil eines internationalen Netzwerks. In diesem Jahr setzte sich die Organisation für die Medien ein, die aufgrund ihrer professionellen Tätigkeit unter Druck seitens der Behörden stehen.

Britische Botschaft besorgt über Maßnahmen des Lukaschenko-Regimes gegen Press Club Belarus. „Solche Maßnahmen gegen eine Organisation, die hohe Qualitätsstandards in der Presseberichterstattung fördert, sind kurzsichtig und unverhältnismäßig und verletzen die Freiheit der Medien in Belarus“, steht auf der offiziellen Facebook-Seite der diplomatischen Mission.

Press Club Belarus
Source: press-club.by

Konzertmeisterin und erste Geigerin des Minsker Opernhauses verlässt Belarus

Vor fast zwei Monaten hat das belarusische Bolschoi-Theater fünf talentierte Künstler buchstäblich vor die Tür gesetzt, die es gewagt hatten, sich vor Beginn der Aufführung öffentlich gegen Gewalt im Land auszusprechen. Es waren der Dirigent Andrey Galanov, der Solist Ilya Silchukou, die Konzertmeisterin des Orchesters Regina Sarkisowa und die Orchestermusikerinnen Alla Dschigan und Alexandra Potemina. 

Regina Sarkisowa, mittlerweile ehemalige erste Geigerin des Bolschoi-Theaterorchesters, lebt heute in Vilnius:

„Ich erwartete, dass ich sie abgemahnt werden würde, aber dass man mir fristlos kündigt, nach 26 Jahren als Konzertmeisterin, ohne überhaupt mit mir zu sprechen… Denn ich war nicht die unwichtigste Person im Theater. Das wollte mir nicht in den Kopf. Doch ich habe verstanden und gesehen, dass es in unserem Land derzeit keine unersetzlichen Menschen gibt. Die besten Spezialisten und herausragendsten Persönlichkeiten habe ihre Arbeit. Aber in unserem Bolschoi?!“

„Zu Ihrer Unterstützung sowie zur Unterstützung aller anderen Musiker, die fristlos aus dem Theater entlassen wurden, gab es einen Brief, der von 1.070 Kulturschaffenden aus Belarus unterzeichnet wurde. Gab es eine Reaktion von den Beamten?“

„Keine Reaktion. Alle Verwaltungsebenen stellen sich taub und blind. Mein Mann, der im Orchester als Pauker und Konzertmeister für die Schlagzeuggruppe arbeitete, musste gleich nach mir gehen. Und er arbeitete gar 42 Jahre lang im Theater. Und niemand von der Verwaltung tauschte auch nur ein Wort mit ihm, niemand war bereit zu reden.“

Sarkisava
Source: Ex-press.by

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