Fünf Jahre Gefängnis für einen Teenager mit Epilepsie; veröffentlichte Untersuchungen zur Folter von Frauen und Kulturschaffenden; EU-Diplomaten besuchten Menschenrechtszentrum „Viasna“
22. Februar 2021 | Voice of Belarus
5 Jahre Gefängnis für einen Teenager mit Epilepsie
16-jähriger Teenager aus Homel Mikita Salatarou, der noch am 11. August festgenommen worden war, wurde zu fünf Jahren Haft in einer Strafkolonie verurteilt. Salatarou hat Epilepsie. Während eines der Verhöre fühlte er sich schlecht, er wurde von einem Krankenwagen abgeholt. Aber von der Intensivstation wurde er in die Untersuchungshaftanstalt zurückgebracht. Mikitas Vater erzählte Reportern, dass sein Sohn jeden Tag in der Untersuchungshaftanstalt geschlagen wurde. Der Anwalt reichte eine Beschwerde dagegen ein, aber die Behörden fanden kein Corpus Delicti, da sie bei dem Opfer keine Körperverletzungen fanden. Der Teenager selbst sagte während des Prozesses, dass ihm im Untersuchungsgefängnis keine Medikamente verabreicht wurden: „Der Wachmann antwortet: ‚Du bist ein Politischer, du sollst verrecken‘“. Nachdem das Urteil verkündet worden war, wurde Mikita hysterisch. In einem Käfig warf er sich gegen die Stangen und rief: „Lasst mich hier raus!“
Zusammen mit Salatarou waren in dem Fall der 25-jährige Dsmitry Karneeu (zu acht Jahren Haft verurteilt) und der 28-jährige Leanid Kawaljou (mit sechs Jahren Gefängnis bestraft). Ihnen wurde die Teilnahme an Massenunruhen vorgeworfen, begleitet von „Pogromen und Brandstiftung, bewaffnetem Widerstand gegen Vertreter des Staates“, sowie Gewalt gegen die Polizei, illegale Aktionen mit brennbaren Substanzen („Molotow-Cocktails“), und Kawaljou – auch der „Verwicklung eines Minderjährigen in ein Verbrechen“.
Ein Bericht über die Folter von Frauen, die bei Kundgebungen inhaftiert worden waren, wurde veröffentlicht
Das Internationale Komitee zur Untersuchung von Folter in Belarus veröffentlichte einen Bericht über Folter und Misshandlung von Frauen im Zeitraum von August 2020 bis Februar 2021. Menschenrechtsaktivisten befragten 143 Frauen, die unter Folter und anderen Aktionen der Sicherheitskräfte gelitten hatten. Die Haupteskalation von Gewalt und Misshandlungen durch die Sicherheits-kräfte fand vom 9. bis 13. August 2020 in ganz Belarus statt. Obwohl weniger Frauen als Männer inhaftiert wurden, war das Ausmaß der Gewalt gegen Frauen in vielen Fällen nicht geringer als gegen Männer. Eine medizinische Versorgung der Frauen war nicht oder nur sporadisch gegeben. Körperdurchsuchungen bei inhaftierten Frauen wurden häufig von Männern durchgeführt. Die Haftbedingungen in den Hafteinrichtungen entsprachen nicht den Gesetzen und internationalen Verträgen: Folter und unmenschliche Behandlung, überfüllte Zellen, unhygienische Bedingungen. Sexuelle Gewalt gegen Frauen und damit gleichgesetzte Handlungen (Androhung von Vergewaltigung, Demütigung, Verweigerung des Zugangs zu Hygiene, zur Behandlung oder zu Medikamenten bei der Menstruation) kamen fast überall und in unterschiedlichen Phasen vor: zum Zeitpunkt der Festnahme, während des Transports zum Ort des Gewahrsams, am Ort des Gewahrsams, am Ort des Freiheitsentzugs. „Grundlegend ist die Tatsache, dass diese Handlungen, die mit sexueller Gewalt gleichgesetzt werden, von Vertretern des Staates durchgeführt wurden“, heißt es in dem Bericht. Bisher wurde kein einziges Strafverfahren wegen Foltervorwürfen eröffnet.
Repressionen gegen Kulturschaffende hören in Belarus nicht auf
Internationale Menschenrechtsorganisation Amnesty International gab an, dass die staatliche Unterdrückung nach Protesten gegen manipulierte Präsidentschaftswahlen das kulturelle Leben in Belarus buchstäblich zerstört. Die belarusischen Machthaber verhaften und foltern willkürlich oppositionellen Musiker, Schriftsteller, Künstler und Schauspieler, während andere aus ihren Jobs entlassen werden. Viele wurden gezwungen, das Land zu verlassen, einige befinden sich in Haft und müssen mit langen Haftstrafen rechnen. Amnesty International stellt fest, dass nicht nur Einzelpersonen, sondern ganze Kulturorganisationen Opfer staatlicher Repression werden. Ein Beispiel dafür ist das führende Theater des Landes, das Nationale Akademische Janka Kupala-Theater. Im August 2020 sprach sich Theaterdirektor Pawel Latushko für friedliche Demonstranten aus. Der Vertrag mit ihm wurde sofort gekündigt und mehr als 60 Theaterangestellte, darunter fast alle Schauspieler, kündigten aus Protest. Das Bolschoj Opern- und Balletttheater hat fünf seiner Mitarbeiter entlassen, während die erste Geigerin des Theaters, Regina Sarkisawa, wurde gezwungen, das Land zu verlassen. Viele berühmte Musiker nahmen an Hofkonzerten teil, für die sie wiederholt verhaftet und mit Geldstrafen belegt wurden.
Ein bekannter Künstler und Designer, Autor von aufsehenerregenden Plakaten gegen Lukaschenko und die Gewalt im Lande, Uladsimir Zesler, ist ebenfalls im Exil. Seine Werke sind weltweit bekannt und werden in den Sammlungen vieler Museen auf der ganzen Welt gesammelt.
EU- und US-Diplomaten besuchten das Büro des Menschenrechtszentrum „Viasna“
Am Montag besuchten Vertreter der Botschaften der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten das Büro des Menschenrechtszentrums „Viasna“, dessen Eintragung staatlicherseits zurückgezogen wurde. Das Büro der Menschenrechtler*innen, die in den letzten sechs Monaten Tausenden von betroffenen Bürger*innen unschätzbaren Rat und moralische Unterstützung gegeben haben, wurde kürzlich durchsucht. Durchsuchungen wurden auch in den Wohnungen von Menschenrechtler*innen durchgeführt. Vier Menschenrechtler*innen des Zentrums wurden in Strafsachen festgenommen, ein weiterer verbüßt 12 Tage Ordnungswidrigkeitsarrest. Der Leiter des Zentrums, Ales Beljazki, erklärte, dass er den Besuch der Diplomaten als eine Manifestation der Solidarität mit allen Mitgliedern der Organisation und ein klares Signal an die belarusischen Behörden betrachtet, dass die Menschenrechtsverteidiger unter dem Schutz der internationalen Abkommen stehen, die von Belarus unterzeichnet wurden. Kürzlich wurde im Namen von „Viasna“ ein gefälschter Brief an die Adressen von europäischen Parlamentariern und Botschaftern gesendet, in dem diese aufgefordert wurden, Verletzungen der Bürgerrechte in einer Reihe von europäischen Ländern zu untersuchen.
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