Verurteilung des Arztes Artjom Sarokin und der Journalistin Kazjaryna Barysewitsch; Verwicklung des Belarusischen Roten Kreuzes in Wahlbetrug; Kündigung eines bekannten Reanimatologen wegen der Offenlegung der Wahrheit über die COVID-19-Situation
2. März 2021 | Voice of Belarus
Die Verurteilung eines Arztes und einer Journalistin: schuldig für die Wahrheit
Heute wurden die TUT.BY Journalistin Kazjaryna Barysewitsch und der Arzt Artjom Sarokin im Fall der Offenlegung von medizinischen Geheimnissen verurteilt.
Am 13. November 2020 wurde ein Artikel von Kazjaryna Barysewitsch veröffentlicht, in dem unter Berufung auf medizinische Dokumente und einen ärztlichen Kommentar behauptet wurde, dass im Blut von Raman Bandarenka kein Alkohol nachgewiesen wurde. Dies widerlegte die Aussagen des Untersuchungsausschusses und die von Alexander Lukaschenko, dass Bandarenka betrunken war. „Er war betrunken, es gibt ein Gutachten…“ behauptete Lukaschenko öffentlich. Romans Angehörige haben jedoch keine Beschwerden gegen die Journalistin und den Arzt und sagen, dass sie ihre Zustimmung zur Veröffentlichung dieser Informationen gegeben haben.
Die Verhandlung lief unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Das Gericht befand den Arzt und die Journalistin für schuldig. Kazjaryna Barysewitsch wurde zu sechs Monaten Gefängnis und einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen (mehr als 1.100 US-Dollar) verurteilt. Artjom Sarokin – zu zwei Jahren Gefängnis mit Aufschiebung um ein Jahr und einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen (ca. 550 USD). Er wurde im Gerichtssaal freigelassen.
Die belarusischen Menschenrechtler*innen erkannten Kazjaryna Barysewitsch und Artjom Sarokin als politische Gefangene an und die internationale Menschenrechtsorganisation Amnesty International – als sog. „Gewissensgefangene“
Die unabhängige Informations- und Service-Website TUT.BY, in der Kazjaryna Barysewitsch arbeitet, veröffentlichte eine Erklärung, dass alle Mitarbeiter das Urteil für illegal und ungerecht halten.
Swetlana Tichanowskaja verurteilte die Gerichtsentscheidung scharf: „Das Urteil gegen Artjom Sarokin und Kazjaryna Barysewitsch ist ein Beweis nicht für ihre Schuld, sondern dafür, dass die Wahrheit für das Regime zu einem Straftatbestand geworden ist. Und für diese Wahrheit wurde Kazjaryna für sechs Monate in eine Kolonie geschickt und Artjom für zwei Jahre mit einem Aufschub von einem Jahr. Und es wurden riesige Geldstrafen hinzugefügt. Diese schreckliche politische und rechtliche Krise kann nur durch Lukaschenkos Abgang und neue faire Wahlen gestoppt werden. Und wir wissen mit Sicherheit, dass nach seinem Abgang alle aus politischen Gründen Verurteilten rehabilitiert werden, weil sie unsere Helden des Wandels sind.“
Dem Reanimatologe, der als erster in Belarus ehrlich über COVID-19 sprach, wird gekündigt
Uladzimir Martau, Leiter der Abteilung für Anästhesie und Reanimation, Philosoph, Autor von Büchern über Geschichte und Medizin, wird aus dem Wizebsker Krankenhaus für Notfallmedizin entlassen (sein Vertrag wurde nicht verlängert).
Es war dieses Krankenhaus, das im Frühjahr 2020 den ersten Schlag der COVID-19-Epidemie erhielt. Uladsimir Martau wurde einer der ersten Ärzte in Belarus, der keine Angst hatte zu erklären, dass es ein Problem gibt, und dass es ernst ist, zu dieser Zeit, in der die Behörden versicherten, dass es COVID-19 nicht gibt und niemand daran stirbt. Der Arzt kritisiert den Staat für die Tatsache, dass Geld für Medizin nach dem „Restprinzip“ zugewiesen wird: „Es wird mehr für kugelsichere Westen ausgegeben als für Krankenhäuser.“ Im August 2020 veröffentlichte Martau einen offenen Brief, in dem er sich über Gewalt durch Sicherheitskräfte und die Situation in Belarus nach der Präsidentschaftswahl äußerte.
Kürzlich wurde in Belarus ein Rekordabfluss von medizinischem Personal beobachtet. Im Januar 2021 waren es über 700 Personen. Ärzte werden repressiert, sie kündigen und wandern aus.
Die Belarus*innen fordern eine internationale Untersuchung der Beteiligung des belarusischen Roten Kreuzes an der Fälschung der Wahlen
Vertreter der belarussischen Diaspora in verschiedenen Ländern starteten eine Social-Media-Kampagne #TyrannyPoisonsRedCross, um die Aufmerksamkeit der Weltgemeinschaft auf die Beteiligung des Belarussischen Roten Kreuzes (BORK) an der Fälschung der Präsidentschaftswahlen zu lenken. Aktivist*innen der Kampagne veröffentlichen einen Link zu einem Dokument mit den Namen von 362 Mitgliedern von Wahlkommissionen des Belarussischen Roten Kreuzes, die Wahlprotokolle zu den Präsidentschaftswahlen in Belarus im August 2020 unterzeichnet haben. Laut der Golos-Plattform (unabhängige Internet-Plattform zur Zählung der Stimmen, Anm. des Übers.), wurden diese Protokolle gefälscht. Gegenüber jedem Namen befinden sich Links zu Daten, die die Fälschung bestätigen. Die Tätigkeit des Belarusischen Roten Kreuzes unterliegt der Genfer Konvention und impliziert ihre Neutralität und Unparteilichkeit. Daher ist die Beteiligung des Belarusischen Roten Kreuzes an der Fälschung der Wahlergebnisse nicht nur ein Verstoß gegen nationales, sondern auch internationales Recht.
Sascha Filipenka, ein bekannter belarusischer und russischer Schriftsteller hat sich kürzlich an die Führung der Internationalen Organisation des Roten Kreuzes gewandt. In seinem Brief stellt er fest, dass von Neutralität der Organisation in politischen Angelegenheiten nicht die Rede sein kann, da der Vorsitzende der Organisation des belarussischen Roten Kreuzes der Gesundheitsminister Dsmitry Pinewitsch ist. Und er untersteht direkt Lukaschenko. Sascha Filipenka erinnert an den Druck auf Ärzt*innen, der Pinewitschs Amtszeit als Minister begleiteten und liefert Fakten über Entlassungen, Schläge, Verhaftungen und die Ausreise von Ärzt*innen aus Belarus.
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