Belarus*innen stimmen für Verhandlungen mit Regierung; Norwegen verleiht belarusischen Dichtern Preis für Meinungsfreiheit; Staat will „Polnische Schule“ in Brest schließen; Karzer im Schodsina-Gefängnis – Hölle auf Erden
18. März 2021 | Voice of Belarus
Tichanowskaja fordert Belarus*innen auf, für Verhandlungen mit der Regierung zu stimmen
Swetlana Tihanowskaja und die Vereinigten Demokratischen Kräfte von Belarus kündigten eine landesweite Abstimmung zur Aufnahme von Verhandlungen mit den Regierungsbehörden zur Überwindung der Krise in Belarus an. Eine groß angelegte Abstimmung wird mehrere Probleme lösen:
- Sie zeigt der Weltgemeinschaft, dass sich die politische Krise verschärft und eine dringende Lösung erfordert. Dies wird dazu beitragen, den internationalen Druck erheblich zu erhöhen.
- Sie wird den Belarus*innen das Gefühl der Einheit, der Mehrheit, der Kraft und der Überlegenheit auf den Straßen zurückgeben.
- Sie wird den zivilen Konflikt beenden und die Unvermeidbarkeit von Verhandlungen als einzige friedliche Lösung der Krise demonstrieren.
Die Abstimmung wird auf der Online-Plattform Golos organisiert, dank der die Beweise für Fälschungen bei den Präsidentschaftswahlen 2020 in Belarus gesammelt wurden. Die Daten von Golos werden von der EU, den USA und der OSZE als vertrauenswürdig eingestuft. Die ersten Ergebnisse werden am 25. März 2021, am Tag der Freiheit, bekannt gegeben.
Die US- und EU- Missionen bei der OSZE und den UN unterstützten Tichanowskajas Initiative. Sie sind bereit, eine Plattform zu organisieren, als Vermittler zu fungieren und das Regime zu Verhandlungen zu zwingen, um in diesem Jahr neue transparente Wahlen abzuhalten.
In weniger als 12 Stunden stimmten auf der Plattform Golos mehr als 400.000 Menschen für die Verhandlungen.
In Norwegen wurden belarusische Dichter mit dem Preis für Redefreiheit ausgezeichnet
Der Schriftstellerverband Norwegens verlieh den Preis für Meinungsfreiheit an die belarusischen Dichter Dsmitry Strozeu und Hanna Kamar. Die Dichter nahmen an friedlichen Protestmärschen teil und wurden dafür inhaftiert. Die Organisatoren erklärten, sie wollten den Preis zwischen zwei Autoren aufteilen, „die jeweils eine Generation von Aktivisten repräsentieren, die enorme Anstrengungen unternommen haben und ständig im Zentrum des Kampfes für die Meinungsfreiheit in Belarus stehen“.
„Polnische Schule“ in Brest kann geschlossen werden
Die Staatsanwaltschaft der Stadt Brest schickte dem Gericht einen Antrag auf Liquidierung der „Polnischen Schule“ im Strafverfahren wegen vorsätzlicher Handlungen zur Rehabilitierung des Nazismus. Die Schuldirektorin Anna Panischewa, die nach einer Geschäftsreise aus Polen nach Belarus zurückkehrte, wurde festgenommen. Die Inspektionen wurden in den polnischen Bildungszentren in Hrodna, Baranawitschy und Walkawysk durchgeführt.
Das Strafverfahren wurde im Zusammenhang mit der Feier des Tages der „Verfluchten Soldaten“ in den polnischen Organisationen von Brest am 28. Februar eingeleitet. Danach hat das belarusische Außenministerium drei polnische Konsuln in Brest und Hrodna aus dem Land ausgewiesen. Als Reaktion darauf kündigte das polnische Außenministerium die Ausweisung von drei belarusischen Konsuln aus dem Land an.
Andrzej Pisalnik, der Sekretär des Hauptvorstandes der „Związek Polaków na Białorusi“, (des Verbandes der Polen*innen in Belarus), erklärte, dass im Falle der Schließung der polnischen Schulen die Handlungen des Regimes als ein kultureller und pädagogischer Genozid an der polnischen Minderheit betrachtet werden könnten.
Karzer ist Hölle auf Erden
Über die unmenschlichen Bedingungen für politische Gefangene in belarusischen Gefängnissen erzählte Wolga Paulawa. Olga absolvierte die medizinische Universität und war Chefkosmetikerin in einem der größten Kosmetikunternehmen in Belarus. Nach den Wahlen nahm sie an Protestaktionen teil und versuchte, friedlichen Demonstranten medizinische Hilfe zu leisten. Am 9. August 2020 wurde sie von einer Blitzgranate verwundet. Sie wurde viermal festgenommen. Beim letzten Mal wurde ein Strafverfahren gegen sie eröffnet und sie wurde mit drei Jahren Bewährungsstrafe mit Arbeitsauflagen, „Heimchemie“, bestraft.
Im Dezember 2020 verbrachte Olga 17 Tage in einer Strafzelle im Schodsina-Gefängnis, zehn davon war sie im Hungerstreik. Sie landete in einer Strafzelle, weil sie die Wachen nicht begrüßt hatte. Nach Angaben der Frau war die Zelle, in der sie festgehalten wurde, ein kleiner Raum von etwa 1,5 Metern Breite und 2,5 Metern Länge mit schlechter Belüftung. Die Strafzelle befindet sich im Keller, fast kein Tageslicht dringt ein. Aber das elektrische Licht in der Strafzelle war rund um die Uhr an.
In der Mitte der Zelle steht ein kleiner unbequemer Metallstuhl, der in den Boden einbetoniert ist, es gibt ein Waschbecken, eine Stufe und eine Toilette. Vor der Toilette befindet sich eine Videokamera. Die Koje wird für den Tag an die Wand gehoben, also setzte sich Olga auf ihren Gummipantoffeln auf den Boden, um nicht zu frieren. Sie sagt, dass es in den Gefängniszellen viele Kakerlaken und in in dem Karzer auch Mäuse gibt.
Es ist nicht gestattet, Papier für Briefe, einen Stift, Bücher in den Karzer mitzunehmen, Päckchen von Angehörigen sind ebenfalls für Inhaftierte des Karzers verboten.
„Der Karzer ist die Hölle auf Erden. In der Tat, wenn man eine schlechte Phantasie hat, kann man dort verrückt werden. Man rettet sich nur, indem man sich etwas vorstellt.“
Während des Hungerstreiks in der Strafzelle schwächelte Paulawa so sehr, dass sie die ganze Zeit auf dem Betonboden lag und von dem Hausmeister zum Treffen mit ihrem Anwalt getragen wurde. Nach dem Hungerstreik landete die Frau in der medizinischen Abteilung.