Beginn des Prozesses gegen den Ex-Präsidentschaftskandidaten Viktar Babaryka; 90 Durchsuchungen bei Menschenrechtsaktivisten in Belarus an einem Tag; „Protestierendes Belarus“ kommt nach Japan
17. Februar 2021 | Voice of Belarus
Beginn des Prozesses gegen den Ex-Präsidentschaftskandidaten Viktar Babaryka
Ein Bombenentschärfungskommando traf am Morgen am Gerichtsgebäude ein und alle Fahrzeuge wurden von einem Abschleppwagen von den Parkplätzen entfernt. Die Sitzung des Gerichts wurde zwar als öffentlich angekündigt, aber weder Journalisten von nicht-staatlichen Medien noch normale Bürger durften daran teilnehmen. Am Eingang zum Gericht bildete sich eine lange Schlange.
Das Gericht lehnte alle Anträge der Verteidigung ab, darunter auch den Antrag auf die Umwandlung der Untersuchungshaft des Angeklagten in Hausarrest.
Viktar Babaryka wird der „Wäsche“ von kriminell erwirtschaftetem Geld und der Annahme von Bestechungsgeldern in besonders großem Umfang beschuldigt. Seine Anklageschrift umfasst 340 Seiten.
Gerichtsförderband läuft ununterbrochen
Die Staatsanwältin beantragte für Darja Tschulzowa und Kazjaryna Andrejewa zwei Jahre Haft in einer Kolonie des allgemeinen Strafvollzugs.
Der prominente Werbefachmann Vlad Saveliev wurde wegen seiner Teilnahme an einem Sonntagsmarsch zu drei Jahren Haft mit offenem Vollzug verurteilt.
Andrej Komlik-Jamatin, Vertreter der unabhängigen Gewerkschaft REP, wurde zu 25 Tagen Verwaltungshaft verurteilt. Der Grund für die Erstellung von Protokollen war eine rotbraun-silberne Girlande auf seinem Balkon und seine Weigerung, die Tür für die eintreffenden Ordnungshüter zu öffnen.
Alle 59 bei einem Konzert in der Nähe von Smaljawitschy Festgenommenen wurden am 13. Februar in Shodsina verurteilt. Die Betroffenen erhielten insgesamt 660 Tage und 13.050 Rubel (etwa 4 Tausend Euro) Strafe.
Eine Künstlerin wurde in Skidsel verurteilt, weil sie ein „zynisches Bild in Form eines Storchs“ an ein Bushaltehäuschen gemalt hatte. Sie erhielt eine Geldstrafe von 4.350 Rubel (1.360 Euro) und ihr Freund – in Höhe von 2.900 Rubel (900 Euro). Auch das Fahrrad der jungen Frau wurde als Tatwerkzeug beschlagnahmt.
Protestierendes Belarus kommt nach Japan
Heute findet in Tokio eine Ausstellung der belarusischen Protestkunst „Expired. Belarus art of resistance“ statt.
Die Ausstellung ist den 6 Monaten der friedlichen Proteste in Belarus gewidmet. Diese Ausstellung erzählt die Geschichte der Proteste durch Kunst und spiegelt den friedlichen Charakter des belarusischen Widerstands wider. Sie zeigt, wie lokale Initiativen, Selbstorganisation der Bürger, Frauenbewegung und Kunst zu einer treibenden Kraft gegen Polizeigewalt und Brutalität im Kampf gegen die „letzte Diktatur Europas“ geworden sind.
Internationale Menschenrechtsgemeinschaft verurteilt Verfolgung von Menschenrechtsverteidigern in Belarus
Am 17. Februar stellte sich heraus, dass am Tag davor im ganzen Land etwa 90 Durchsuchungen bei Journalisten und Menschenrechtsaktivisten durchgeführt worden waren. Sowohl das Menschenrechtszentrum „Viasna“, die unabhängige „Gewerkschaft der Arbeiter der Radioelektronik-Industrie“, der belarusische Journalistenverband (BAZh) als auch private Aktivisten waren Repressionen ausgesetzt. Das Innenministerium berichtete, was bei den Durchsuchungen gefunden und sichergestellt wurde.
Zunächst wurden private Gelder und Bankkarten der Mitarbeiter beschlagnahmt. Das Innenministerium spricht von insgesamt 80 Tausend Dollar. Konfisziert wurden außerdem Erhebungsbogen über die Hilfsleistungen für die Verfolgten und Hunderte von Quittungen für Geldstrafen von Einzelpersonen und juristische Dienstleistungen sowie Protestliteratur, insbesondere Zeitschriften und Bücher über die Geschichte von Belarus. Und – vollkommen unerwartet – „vermutlich Betäubungsmittel und einen Gegenstand, der wie eine Pistole aussieht“.
Hier sind die Kommentare von internationalen Organisationen zu diesem Thema.
Human Rights Watch:
„Diese Durchsuchungen sind Teil einer unverhohlenen Einschüchterungskampagne. Die belarusischen Behörden verfolgen Menschenrechtsverteidiger und unabhängige Journalisten, um zu versuchen, die Überreste der Zivilgesellschaft in Belarus zu zerstören.“
Freedom House:
„Durchsuchungen in den Häusern von Aktivisten sind ein weiterer alarmierender Versuch des belarusischen Regimes, das Andersdenken im Land zu zerstören. Die Regierung muss dringend alle fingierten Strafverfahren einstellen und die Verfolgungskampagne gegen Menschenrechtsverteidiger und Anwälte beenden, die als letzte Bastion der Verteidigung für Hunderte von politisch verfolgten Menschen eine entscheidende Rolle spielen. Angriffe auf Menschenrechtsorganisationen sowie ständiger Druck auf Anwälte bedrohen diese wichtige Schutzinstanz und werden zu einer weiteren internationalen Abschottung von Belarus führen.“
Civil Rights Defenders:
„Wir fordern die internationale Gemeinschaft auf, sich für diejenigen einzusetzen, die von diesem Angriff betroffen sind, sowie alle verfügbaren Kanäle zu nutzen, um das Vorgehen der Behörden zu verurteilen und sie an ihre internationalen Verpflichtungen zu erinnern.“
Office for Democratic Institutions and Human Rights:
„Menschenrechtsverteidiger in Belarus spielen seit langem eine wichtige Rolle bei der Förderung der Rechte ihrer Mitbürger, trotz zahlreicher Probleme. Deshalb ist es sehr beunruhigend, Nachrichten über etwas zu lesen, das wie eine geplante Aktion der Strafverfolgung und Einschüchterung durch die belarusischen Behörden im Zusammenhang mit den friedlichen Protesten aussieht, die seit vielen Monaten in Belarus stattfinden.“
For more information on the events of 17 February 2021, please visit Infocenter Free Belarus 2020: