Belarus Daily | 15. Jan

Errichtung von Konzentrationslagern für Demonstrant:innen, Freibrief von Lukaschenko für Morde und Reaktionen auf das durchgesickerte Audioaufnahme von Karpjankou; Fasel versucht sich herauszuwinden und gibt Falschinformationen an die Medien weiter; verhaftete Studenten sollen für zwei weitere Monate hinter Gittern bleiben

15. Januar 2021 | BYHelp-Mediagroup
Source: Radio Svaboda

Lager für Protestierende und andere schockierende Pläne des Lukaschenko-Regimes zur Massakrierung der Zivilbevölkerung: Tonaufzeichnung der Intitiative BYPOL

Mikalaj Karpjankou.
Source: Reformation

Die Initiative BYPOL veröffentlichte eine Aufzeichnung einer Rede einer Person, deren Stimme dem ehemaligen Leiter der GUBOPiK (Hauptdirektion für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität und Korruption) des belarusischen Innenministeriums Karpjankou (jetzt stellvertretender Innenminister – Befehlshaber der internen Truppen) ähnelt.

Source: youtube.com/Voice of Belarus

Die Aufnahme wurde im Oktober 2020 bei einem Abschiedstreffen mit dem Personal gemacht. Während des Treffens sprach die Person über neue Typen von Spezialausrüstung mit großer Zerstörungskraft aus Russland, die in Dienst gestellt wurden und gegen Zivilisten eingesetzt werden sollen, und deren Anwendung bis zum Tod führen kann.

Er versicherte seinen Gesprächspartnern, dass Alexander Lukaschenko persönlich die Straflosigkeit für solche Aktionen beim Einsatz von Waffen und Spezialausrüstung garantiert. Das vollständige Transkript der Aufnahme finden Sie hier hier.

Hier sind einige zynische Zitate aus der Tonaufnahme.

„Das Staatsoberhaupt deckt umfassend in Bezug auf den Einsatz von Waffen ab.“

„Also, wie der Präsident sagte, wenn sie auf dich losgehen, wenn sie dich angreifen, gebrauche die Waffe, also, die nichttödliche Waffe. Zielt mit der Waffe direkt aus nächster Nähe in die Beine, in den Bauch, in die Eier. Damit der Getroffene versteht, was er getan, was er verbrochen hat, damit er nie mehr zu der Verfassung zurückkehrt, in der er vorher war. Nun, macht doch etwas, verstümmelt ihn, verkrüppelt ihn, tötet ihn. Zielt mit der Waffe direkt auf die Stirn, direkt ins Gesicht, genau dorthin, damit er danach nie mehr in den Zustand zurückkommt, in dem er vorher war.

Wenn man ihn wiederbelebt, sollte man ihn halt wiederbeleben. Das halbe Gehirn wird er verloren haben, nun, geschieht ihm recht so.“

Dabei wird in der Aufnahme der Mord an Alexander Taraikowski erwähnt. Die Hauptfigur der Aufnahme nennt den Getöteten einen „Idioten und Säufer“:

„Und es ist klar, woran dieser Säufer und Idiot gestorben ist, wie heißt er gleich… Ja, Taraikowski… Er starb natürlich durch ein Gummigeschoss, das seine Brust getroffen hatte (…).“

Karpjankou spricht über Pläne zur Schaffung eines speziellen Konzentrationslagers für die unbefristete Aussiedlung von Menschen, die wiederholt an den Protesten teilgenommen haben. Dieses Lager soll auf der Grundlage der Strafkolonie Nr. 22 in Iwazewitschi, den sogenannten „Wolfslöchern“, errichtet werden. Zu diesem Zweck hat das Innenministerium ein einheitliches Informationssystem namens „UNruhen“ eingerichtet, in dem Informationen über alle Personen gespeichert werden, die wegen Teilnahme an ungenehmigten Massenveranstaltungen festgenommen worden sind.

„In dieser Datenbank soll jeder erfasst werden, der zum zweiten Mal festgenommen wird. Wir sind beauftragt, ein Lager zu planen und zu errichten, ein Lager nicht für Kriegsgefangene und nicht einmal für Internierte, sondern ein Lager für besonders Aufsässige, zu ihrer Aussiedlung. Und das Gelände drumherum ist mit Stacheldraht zu sichern. Zwei Gebäude müssten errichtet werden: ein Etage mit dem Heizungsraum und eine Etage zum Essen, damit sie arbeiten. Und dort sollen sie festgehalten werden, bis sich alles beruhigt hat.“

Weiter spricht er darüber, Wasserwerfer einzusetzen: zum “plattmachen” der Person und “unbedingt mit Gas“. Im Namen von Lukaschenko wurden den Sicherheitskräften Auszeichnungen versprochen, darunter „Für besonderen Mut“ und „Für hervorragende Leistungen bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung“, sowie finanzielle Anreize. Karpjankou selbst wurde zusammen mit anderen Sicherheitskräften am 30. Dezember ausgezeichnet.

Opposition fordert Einstufung von Lukaschenkos Regime als terroristisch

Source: Radio Svaboda

Die Tonaufnahmen von Karpjankous Äußerungen schockierte nicht nur die ganze Welt, sondern löste auch eine eindeutige Reaktion aus.

Das Mitglied des Präsidiums des Koordinierungsrates (KC) und Leiter des Zivilgesellschaftlichen Krisenmanagements (NAU) Pawel Latuschka:

„Nach Karpjankous Äußerungen kann niemand mehr den geringsten Zweifel haben: Alle Gräueltaten in Belarus geschehen auf Lukaschenkos Weisung und mit seinem Wissen.

Karpjankou gestattet Sicherheitskräften, Demonstrant:innen zu verstümmeln und zu töten, wofür er die volle Deckung durch Lukaschenko garantiert. Er gesteht ein, dass Taraikowski von Sicherheitskräften erschossen wurde. Er nennt Demonstrant:innen ,überflüssige Menschen‘ und kündigt allen Ernstes die Errichtung eines speziellen Umsiedlungslagers an, das von Stacheldraht umgeben ist.

Wir werden diese Aufnahme dem UN-Sicherheitsrat, dem EU-Ministerrat, der OSZE und den Europarat weiterleiten, und separat an die offiziellen Behörden Russlands und der Vereinigten Staaten. Wir werden die Frage der Einstufung des Lukaschenko-Regimes als terroristisch ansprechen.“

Swetlana Tichanowskaja, Anführerin der Volksbewegung, Lukaschenkos Hauptgegnerin bei den Wahlen 2020:

„Wir haben die EU bereits aufgefordert, GUBOPiK und OMON als terroristische Organisationen einzustufen. Karpjankou ist bereits ein Verdächtiger in einem Strafverfahren nach universaler Gerichtsbarkeit. Ihm droht also ein internationaler Haftbefehl. Er steht bereits auf den Sanktionslisten der baltischen Staaten. Wir werden die Welt nicht vergessen lassen, was gerade in Belarus geschieht. (…)

Sie verstehen selbst: Terroristen sind nicht diejenigen, die auf die Straße gehen, um friedlich zu protestieren. Terroristen sind diejenigen, die im Wissen, dass sogenannte nichttödliche Waffen auf kurze Distanz töten, den Schießbefehl geben. Terroristen sind diejenigen, die Gewalt anwenden um einzuschüchtern und illegal an der Macht festzuhalten.

Wir sind Menschen, keine Tiere. Wir sprechen über Dialog. Sie über Terror. Wir sprechen über Freiheit. Sie über Konzentrationslager. Wir bieten friedliche Lösungen. Sie planen Krieg.“

Elena Herman Witwe von Alexander Taraikowski:

„Säufer und Idiot? Ich habe keine Worte. Wie kann das sein? Sie haben einen Zivilisten getötet und jetzt beleidigen sie ihn auch noch. Sie haben nie ein Strafverfahren eröffnet. Darüber hinaus haben sie [Taraikowski] früher als Terroristen dargestellt.

Ich denke, das ist einfach Völkermord. Ich habe aktuell keine Hoffnung auf eine gerechte Lösung des Falls.

Und Karpjankous Aussagen wollen mir einfach nicht in den Kopf. Sie töten einfach Menschen. Wie kann man in diesem Land weiter leben, wie kann man hier Kinder großziehen?“

René Fasel verwickelt sich in eigenem Lügengespinst

Source: twitter.com/BSSFofficial

Das Treffen zwischen René Fasel und Alexander Lukaschenko zur Eishockey-Weltmeisterschaft wird nach wie vor in den Medien diskutiert. In zahlreichen Interviews rechtfertigt sich Fasel entweder für die in Belarus aufgenommenen gemeinsamen Fotos oder für den allgemein übermäßig freundlichen Ton des Treffens mit dem belarusischen Diktator.

Einer der letzten Interviews provozierte eine Reihe von Gegendarstellungen.

Der Grund waren Fehlinformationen, die Fasel Reportern gegeben hatte.

„Wir haben mit verschiedenen Vertretern direkt telefoniert und unsere Absicht für ein Treffen erklärt und das ist sehr geschätzt worden.“

„Das ist das Drama: Die Vertreter der Opposition sagen uns, dass sie diese WM wollen, es sei eine WM für das Volk. Aber es gibt keinen anderen Dialog zwischen der Regierung und der Opposition.“

Darüber hinaus wurde einmal auf Vertreter:innen von Swetlana Tichanowskaja (mit denen Fasel angeblich kommuniziert hatte) und ein anderes Mal auf Julia Timoschenko (eine ukrainische Politikerin, die nie im Thema der Eishockey-Weltmeisterschaft in Belarus eine Rolle gespielt hat) verwiesen.

Source: Watson

Swetlana Tichanowskaja gab zu den Aussagen des IIHF-Präsidenten eine unzweideutige Replik:

„Herr Fasel muss in seiner Aussage etwas durcheinander gebracht haben: Weder ich noch mein Team hatten ein Treffen mit ihm. Dafür wissen wir ganz genau, dass er Lukaschenko und Baskau, der verdächtigt wird, Raman Bandarenka ermordet zu haben, getroffen und umarmt hat. Meine Meinung bleibt unverändert: Es ist unmenschlich, die Weltmeisterschaft in einem Land abzuhalten, aus dem der stellvertretende Leiter des Innenministeriums ein Gefangenenlager machen will. Und wir haben Briefe an die Außenministerien verschiedener Länder geschickt und diese aufgerufen, sich gegen die Weltmeisterschaft in Minsk auszusprechen, bis alle politischen Gefangenen freigelassen, die Festnahmen beendet und freie und faire Wahlen abgehalten werden.“

Der Brief von Swetlana Tichanowskaja wurde an die Außenministerien Kanadas, Russlands, Kasachstans und der europäischen Länder geschickt, die sich für die Teilnahme an der Meisterschaft qualifiziert haben. In dem Brief heißt es, das Turnier solle in ein anderes Land verlegt werden, da es die Sicherheit aller potenziellen Teilnehmer gefährde und die Repression in Belarus rechtfertige.

Eine weitere Widerlegung veröffentlichte die belarusische Stiftung für Sportsolidarität (BSSF):

Die Stiftung war zu einem Arbeitstreffen bereit sowie dazu, maximale Unterstützung bei der Organisation des Verlegung der Weltmeisterschaft zu leisten sowie der IIHF Fakten über Repressionen im belarusischen Eishockey zu liefern. Das Treffen auf Antrag des Fonds sollte vor dem Besuch der IIHF-Führung in Lukaschenka in Zürich stattfinden. Die Internationale Eishockeyföderation hat dies jedoch in einem offiziellen Brief unter Bezugnahme auf einen engen Zeitplan abgesagt.

In seinem Interview log René Fasel offen und wiederholt: „Dies ist das Drama: Die Oppositionsvertreter sagen uns, dass sie diese Weltmeisterschaft wollen, dass dies eine Weltmeisterschaft für das Volk ist. Aber es gibt eindeutig keinen Dialog zwischen der Regierung und der Opposition.“

Die Position der Stiftung für Sportsolidarität zu diesem Thema bleibt unverändert: Die Weltmeisterschaft sollte aus Belarus verlegt werden, und Dsmitri Baskau und andere an Repressionen beteiligte Hockey-Funktionäre sollten von der IIHF disziplinarisch bestraft werden.

In seinem Interview versucht Fasel, sich zu rechtfertigen und sich als Friedensstifter zu zeigen, indem er behauptet, er wolle die Weltmeisterschaft in eine Versöhnungs-Weltmeisterschaft verwandeln. Einige der mächtigsten Eishockeynationen der Welt, Finnland, die Tschechische Republik, Schweden, Dänemark sind gegen die Weltmeisterschaft in Minsk. Über die Unabdingbarkeit einer Verlegung die Weltmeisterschaft aus Minsk auch von zahlreiche Politiker:innen, unter anderem aus Norwegen, den USA, Deutschland, Litauen, Polen und natürlich Lettland, das den Wettbewerb zusammen mit Belarus hätten ausrichten sollen.

Belarusische Student:innen weiter hinter Gittern

Source: SPEKTR

Die belarusischen Student:innen waren trotz Zwangsverweisen und Haftstrafen eine der aktivsten und mächtigsten Gruppen bei den Protesten. Die Reaktion der Regierung erwies sich als hart: Am 12. November nahmen KGB-Mitarbeiter in Minsk zehn Student:innen verschiedener Universitäten fest, teilweise wurden Türen eingetreten, teilweise wurden sie auf dem Weg zur Arbeit oder zum Studium entführt. Unter ihnen ist Alana Hebremariam Absolventin der Belarusischen Staatlichen Medizinischen Universität, Mitglied der Kerngruppe des Koordinierungsrates und Assistentin von Swetlana Tichanowskaja für Jugendangelegenheiten, Aktivistin der Organisation „Vereinigung Belarusischer Student:innen“, der ersten und einzigen nationalen Student:innenvereinigung und Vertretung belarusischer Student:innen in Europa. Alle wurden sie durchsucht und ihre Computer beschlagnahmt. Wolha Filatschenkawa, eine der Lehrkräfte der BSUIR, wurde ebenfalls festgenommen. Sie hatte eine Videobotschaft gegen die Inhaftierung, Gewalt und Belästigung von Studenten aufgenommen. Alle 11 Personen werden der Organisation von Gruppenaktionen, die die öffentliche Ordnung grob verletzen beschuldigt (Strafgesetzbuch Artikel 342, Absatz 1). Die Höchststrafe nach diesem Artikel beträgt drei Jahre Gefängnis. Die Anwält:innen der Inhaftierten haben eine Geheimhaltungsvereinbarung unterzeichnet und können sich nicht zum Verlauf der Untersuchung äußern. Es wurde bekannt dass die Untersuchungshaft aller Verdächtigten um zwei Monate verlängert worden ist. Während dieser Zeit wurden ihre Namen von Tausenden von Menschen bekannt, Hunderte, Tausende von Briefen wurden an sie geschrieben. Initiativgruppen von Universitäten und Streikkomitees fordern die sofortige Freilassung aller Studierenden und Studierenden. Nach Informationen der Student:innenvereinigung wurden Seit August 2020 399 Studenten und Studentinnen wegen Teilnahme an friedlichen Protesten festgenommen und 131 Personen der Universitäten verwiesen.


For more information on the events of 15 January 2021, please visit Infocenter Free Belarus 2020: