Belarus Daily | 1. Mär

Gesamte Haftzeit für politische Strafsachen im Februar: 168,5 Jahre; neue Gesetzgebung verschärft Strafen für Proteste; Schikanen gegen Rentner in U-Haft und vor Gericht; wie die „Volksbotschaften“ arbeiten

1. März 2021 | Voice of Belarus
Unglaubliche belarusische Mädchen beim traditionellen belarusischen Brauch „Hukanne wjasny“ („Ruf nach dem Frühling“).
Source: t.me/kyky_org

Allein im Februar erhielten politische Gefangene in Strafverfahren insgesamt 168,5 Jahre

Nach Berechnungen von Menschenrechtsverteidigern, wurden in Belarus im Februar 102 Personen (88 Männer und 14 Frauen) wegen politischer Taten verurteilt, drei Minderjährige mussten Haftstrafen (zwei bis sechs Jahren in einer Strafkolonie) antreten.

Insgesamt wurde im Februar in Strafverfahren zu 168,5 Jahren Gefängnis verurteilt.

Source: nash-dom.info

Änderungen des Ordnungsrechts in Kraft getreten. Jetzt findet sich der „Volksartikel“ 23.34 unter Nummer 24.23

Am 1. März trat eine neue Verfahrensordnung für Ordnungswidrigkeiten in Kraft

Wichtige Änderungen:

Die Polizei darf Mütter minderjähriger Kinder nicht länger als 3 Stunden festhalten.

Prozesse können hinter verschlossenen Türen abgehalten werden, wenn Zeugen sagen, dass ihre Sicherheit gefährdet ist.

Außerdem können ab jetzt Reisen ins Ausland und das Recht, ein Auto zu fahren, vorübergehend eingeschränkt werden, um das Ordnungsverfahren sicherzustellen.

Außerdem haben sich die Bußgelder für die Teilnahme an gesetzeswidrigen Massenveranstaltungen mehr als verdoppelt: Zuvor war der Höchstbetrag für die beliebtesten Artikel seit August auf 60 Basissätze begrenzt. Dies sind etwa 550 Euro oder 670 US-Dollar. Nach dem neuen Kodex können Bußgelder bis zu 200 Basissätze betragen. Dies entspricht ungefähr 1.840 EUR oder 2.230 Dollar für die Ausübung des Rechts auf Meinungsfreiheit. Die Anzahl der Arresttage hat sich verdoppelt (von 15 auf 30), und die Strafe für Fahrer, die am Ort der Kundgebung ein akustisches Signal geben, ist gestiegen.

Gleichzeitig wurde an die Lukaschenko-Administration der Entwurf für ein aktualisiertes Strafgesetzbuch übergeben. Das Dokument soll im April dieses Jahres verabschiedet werden. Das Gesetzbuch wird wahrscheinlich Artikel enthalten, welche Extremismus (einschließlich weiß-rot-weißer Symbole), wiederholte Verstöße gegen die Vorschriften zur Durchführung von Massenveranstaltungen und die illegale Erhebung und Verbreitung personenbezogener Daten unter Strafe stellen.

Source: t.me/bajby

System unterdrückt weiterhin jede abweichende Meinung

In verschiedenen Gerichten von Minsk liefen Prozesse gegen Rentnerinnen, die am 26. Februar im Zug Bücher in belarusischer Sprache gelesen hatten und dabei von Polizisten festgenommen wurden. Acht der 14 Inhaftierten wurden mit einer Geldstrafe von fast 8.000 Rubel (mehr als 2,5 Tausend Euro oder 3.076 US-Dollar) belegt, eine 66-jährige Frau kam für 20 Tage ins Gefängnis.

Einer der Rentnerinnen machte den Richter auf die Haftbedingungen in der Zelle aufmerksam: „Ich habe Arthrose und schlafe den dritten Tag unter dem Tisch auf dem Boden. Ist das etwa in Ordnung?“

„Das Gericht ist nicht für Ihre Haftbedingungen verantwortlich“, erklärte der Richter. „Aber ich habe Sie gehört.“

Source: TUT.BY

Der 54 Jahre alte Uladsimir Malachouski wurde vom Gericht zu 3,5 Jahren Strafkolonie verurteilt. Er wurde der Gewalt gegen Polizeibeamte während der Proteste am 13. September 2020 beschuldigt. Uladsimir bekannte sich nicht schuldig. Darüber hinaus wurde der Verurteilte aufgefordert, den drei geschädigten Polizeibeamten eine Entschädigung in Höhe von 3.000 Rubel (ca. 1.000 Euro) zu zahlen. Malachouski ist Vater zweier minderjähriger Kinder, er ist krebskrank, hat sich viermal einer Chemotherapie unterzogen und hat eine Behinderung.

Uladsimir Malachouski.
Source: Viasna Human Rights Centre

Maladsetschna: Einige der inhaftierten „Skifahrer*innen“ aus U-Haft entlassen. Sie waren am 14. Februar festgenommen worden. Die 19 Teilnehmer*innen des Skiausflugs wurden wegen Teilnahme an einer illegalen Massenveranstaltung verurteilt. Fünf Männer und zwei Frauen wurden zu 15 Tagen Haft verurteilt, drei weitere Männer zu 20 Tagen. Neun weitere Frauen wurden mit einer Geldstrafe belegt. Einige der inhaftierten Skifahrer*innen verließen die Polizeiwache mit speziellen Skischuhen.

Source: t.me/belsat

Wie die belarusischen „Volksbotschaften“ im Ausland arbeiten und was sie am Leben hält

„Volksbotschaften“ von Belarus im Ausland arbeiten in 17 Ländern. Sie wurden im Dezember 2020 eröffnet. Die Gründungszeremonie fand online unter Beteiligung von Swetlana Tichanowskaja, Pawel Latuschka und Europaparlamentarier*innen statt. Diese Freiwilligenorganisationen helfen denjenigen, die zur Auswanderung gezwungen sind. Heute sprachen Vertreter*innen mehrerer „Botschaften“ mit TUT.BY darüber, wie sie Belarus*innen helfen, die nach den Wahlen in ihr Land gekommen sind, und wie sie von örtlichen Amtsträgern wahrgenommen werden.

„Unsere Tätigkeit ist Teil der breiten informellen Gemeinschaft der Belarus*innen im Ausland. Wir freuen uns, dass sich die Belarus*innen auf der ganzen Welt in einer so schwierigen Zeit gegenseitig unterstützen und sich zu einer einigen Solidaritätsbewegung zusammenschließen“, sagte Julia Kaminskaja, Vertreterin der „Volksbotschaft“ in der Ukraine

Die „Botschaft“ in Deutschland informiert die Öffentlichkeit über die Lage in Belarus, knüpft und pflegt Kontakte zu staatlichen Stellen, öffentlichen Verbänden, Gewerkschaften, Wirtschafts-, Wissenschafts- und Kulturkreisen und empfängt und übermittelt Informationen an Einrichtungen und Organisationen.

In Irland gibt es keine offizielle staatliche Vertretung von Belarus. Daher ersetzt sie die „Volksbotschaft“ in gewissem Maße. „Diese Initiative soll das vorübergehende Fehlen einer legitimen Regierung in Belarus überbrücken. Wir hoffen, dass die politische Krise in diesem Jahr endet und Belarus eine legitime Führung bekommt“, sagt der Sprecher der Botschaft Ales.

Vertreter*innen der „Volksbotschaft“ in der Ukraine.
Source: TUT.BY

For more information on the events of 1 March 2021, please visit Infocenter Free Belarus 2020: