Angehörige: „Das ist Heuchelei“
13. Januar 2021, 22:45 | TUT.BY
Am Abend des 13. Januar gab die Regierung eine Erklärung zu den Plänen für die Austragung der Eishockey-Weltmeisterschaft 2021 in Minsk ab. Die Regierung erklärt, dass zuständige Ebenen mit der Organisation befasst seien. In Bezug auf den Verdacht gegen den Chef des belarusischen Eishockeyverbandes Dsmitry Baskau wurde den Sportchefs versprochen, dass die Ergebnisse der Untersuchung der Generalstaatsanwaltschaft über den Tod Raman Bandarenkas vorgelegt würden. Ramans Familie ist empört: Ihr selbst, sogar seiner eigenen Mutter, werde die Akteneinsicht immer noch verweigert.
In einer Mitteilung des belarusischen Organisationskomitees für die Eishockey-Weltmeisterschaft 2021 (veröffentlicht auf der Website des Ministerrates) heißt es: Bei einem kürzlich abgehaltenen Treffen mit dem Leiter der Internationalen Eishockeyföderation (IIHF), René Fasel, wurden Ansichten zu „bestimmten Aspekten der Situation im Land“ geäußert.
Dabei wurde auch Dsmitry Baskau erwähnt, der Leiter des belarusischen Eishockeyverbandes, der unter den Beteiligten der Ereignisse auf dem „Platz des Wandels“ am 11. November letzten Jahres identifiziert wurde. Dort schnitten ungebetene „Gäste“ weiß-rot-weiße Bänder ab und entführten danach den 31-jährige Raman Bandarenka. Später fanden ihn seine Verwandte im Krankenhaus wieder, wo er einen Tag später, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben, an seinen schweren Verletzungen starb.
„In Bezug auf die Verdächtigungen gegen den Vorsitzenden des belarusischen Eishockeyverbandes Dsmitry Baskau geht die belarusische Seite vom Grundsatz der Unschuldsvermutung als grundlegendem Rechtspostulat aus, ist aber als Geste des guten Willens bereit, ein Treffen von Vertretern des Disziplinarkomitees der IIHF mit dem Generalstaatsanwalt der Republik Belarus [Andrej Schwed] zu organisieren, zur Einsichtnahme in die Ergebnisse der Untersuchungen, die im Rahmen der Vorermittlungen durchgeführt wurden“, erklärt das belarusische Organisationskomitee.
Die Nachricht schockierte die Familie von Raman Bandarenka: Seit dem 13. November setzt sie sich dafür ein, dass wegen des Todes des jungen Mannes ein Strafverfahren eingeleitet wird. Die Generalstaatsanwaltschaft führt jedoch nur eine Vorermittlung durch. Die Mutter hat nicht den Status der Geschädigten, und deshalb kann sie nicht einmal Akteneinsicht nehmen, im Gegensatz zu den Sportfunktionären, denen jetzt ein solches Versprechen gegeben wurde.
Momentan wissen die Angehörigen nicht, ob es Verdächtige für Ramans Tötung gibt; Zwar ist die forensische Untersuchung abgeschlossen, aber auch ihre Ergebnisse einschließlich der offiziellen Todesursache kennen sie nicht.
„Wir beurteilen diese Aussage als Scheinheiligkeit“, sagte die Anwältin Inesa Alenskaja, die die Interessen der Familie Bandarenka vertritt. „Ramans Mutter hat während der zwei Monate der Vorermittlungen auf ihre wiederholten Anfragen nach dem Stand der Ermittlungen von der Generalstaatsanwaltschaft stets nur ablehnende Bescheide erhalten, wobei alle Antwortbriefe dasselbe Zeichen hatten: 1800-38-2020. In diesem Zusammenhang senden wir eine offene und öffentliche Anfrage (Petition) an die Vertreter des IIFC-Disziplinarkomitees: Laden Sie Alena Bandarenka und einen Anwalt hinzu, um sich mit den Untersuchungsergebnissen vertraut zu machen. Denn für Alena ist die Nutzung einer solchen ,Goodwill-Geste‘ die einzige Chance herauszufinden, woran ihr einziger Sohn gestorben ist.“
Die Vertreterin der Familie ergänzte: Am 21. Dezember erhielt Ramans Familie ein weiteres Ablehnungsschreiben von der Generalstaatsanwaltschaft auf die Anfrage wegen der Informationen über den Fortgang des Verfahrens. Sie antwortete, dass die Untersuchung noch im Gange sei, die Mutter und die Anwältin jedoch keine Prozessbeteiligte seien und daher „keinen Anspruch auf Informationen aus den laufenden Ermittlungen und sonstige Auskünfte“ hätten.
Darüber hinaus wurde Alena Bandarenka nicht einmal über die Verlängerung der Fristen der Untersuchung informiert, stellte die Anwaltin klar.
Am Tag zuvor teilte Romans Cousine Wolha Kutscherenka auf ihrem Instagram-Profil mit, was man über das Verfahren gehört hat:
„Bisher sieht die Generalstaatsanwaltschaft keinen Grund für die Einleitung eines Strafverfahrens. Was sie bisher getan haben: Sie haben ein ausführliches Characterbild von Roma erstellt: Sie wissen, welche Schule er besucht hat, in welchen Kindergarten er gegangen ist, welche Art von Beziehungen er zu Menschen hatte, ob ihn jemals jemand betrunken, gewalttätig, unfreundlich gesehen hat; welche schlechten Gewohnheiten er hatte und was sein Lieblingsgetränk war. Ob seine Verwandten die Passwörter für seine Geräte kennen usw. Nach ihren Worten arbeitet ein großes Team an dieser Untersuchung. Die Generalstaatsanwaltschaft lehnte unsere Anfragen und Gesuche wiederholt ab. Der Grund dafür ist, dass es kein Strafverfahren gibt, also ist die Mutter auch kein Opfer. Daher kann sie keine Akteneinsicht bekommen. Die Generalstaatsanwaltschaft befragte Zeugen dazu, wie Roma entführt wurde. Es gibt keinen Tag, an dem ich nicht an ihn denke…“
Polizei zur Sendung des staatlichen Fernsehsenders STV mit abgehörtem Telefonat von Bandarenkas Mutter: keine Rechtsverletzung
Übrigens erhielt die Familie Bandarenka Anfang Januar eine Antwort von der Polizeidirektion des Minsker Stadtbezirks Zentralny auf ihre Anzeige wegen Abhörens der Telefongespräche von Ramans Mutter.
25. November hatte der Staatssender STV einen Beitrag von Rygor Asarenka ausgestrahlt, der kürzlich von Lukaschenko mit der Medaille „Für Tapferkeit“ ausgezeichnet wurde. In dem Beitrag wurden Telefongespräche von Alena Bandarenka veröffentlicht. Am nächsten Tag ging sie zur Polizei und erstattete eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Fernmeldegeheimnis sowie wegen Verletzung der Privatsphäre. Sie ersuchte auch darum, zu ermitteln, wer und mit wessen Erlaubnis das Abhören durchgeführt hatte und wer und auf welcher Grundlage die Aufnahmen Asarenka übergeben hatte, sowie den selbst Mann und diese unbekannten Personen vor Gericht zu stellen.
„Es wird nicht nur abgehört, sondern auch aufgezeichnet und an die staatlichen Medien weitergegeben. (…) Dies sind persönliche Gespräche, zu deren Abhören niemand sein Einverständnis gegeben hat. Die Beteiligten werden dabei völlig aus dem Zusammenhang gerissen in ein schlechtes Licht gerückt“, sagten die Angehörigen. Die Polizei antwortete: Die Polizeidirektion wird der Sache nachgehen.
In einem Brief vom 28. Dezember antwortet die Polizeidirektion des Stadtbezirks Zentralny: „Bei den Handlungen von R. Ju. Asarenka und anderen Personen wurden keine Verstöße gegen die derzeitige Gesetzgebung festgestellt.“ Und aus irgendeinem Grund antworteten wie auf eine gewöhnliche Bürgeranfrage (obwohl es sich um eine Anzeige handelte).
In dem vom Leiter der Polizeibehörde Artur Schachlai unterzeichneten Dokument heißt es, dass der Journalist und die Medien selbst gemäß Artikel 39 des „Gesetzes über Massenmedien“ nicht verpflichtet sind, ihre Informationsquelle zu benennen, und dass sie nicht berechtigt sind, den Namen des Informanten ohne seine Zustimmung offenzulegen. Die Polizei zitiert auch Artikel 40, der besagt, dass die Medien Nachrichten verbreiten dürfen, die Aufzeichnungen enthalten, die ohne Zustimmung der Betroffenen erstellt wurden, wenn dies „nicht gegen die verfassungsmäßigen Rechte und persönlichen Freiheiten verstößt und zum Schutz des öffentlichen Interesses erforderlich ist“.
Schließlich verweist die Polizeidirektion auf einige Kommentare zu Artikel 179 des Strafgesetzbuchs, wonach „die Verbreitung von Informationen, die persönliche oder familiäre Geheimnisse darstellen, in den Fällen legal ist, in denen die nationale Sicherheit, öffentliche Ordnung, der Schutz der Moral oder der öffentlichen Gesundheit sowie der Rechte und Freiheiten anderer das Einschreiten von Regierungsbehörden innerhalb der gesetzlich festgelegten Grenzen in das Privatleben notwendig machen.“
Es blieb unklar, was genau die „Notwendigkeit des Einschreitens von Regierungbehörden“ ins Privatleben von Bandarenkas Mutter begründete.