In Belarus werden Journalisten geschlagen und inhaftiert, und niemand wird die Verantwortung dafür übernehmen
12. August 2020, 11:55 | Olga Loiko, TUT.BY
Presseweste, Badge, Pass, Redaktionsausweis und Arbeitsauftrag. Journalisten sind von allen Seiten sichtbar mit der Aufschrift PRESS markiert, aber das garantiert absolut nichts, eher das Gegenteil. Sie sind ein Ziel. Eine leichte Beute.
In der Nacht vom 9. auf den 10. August begannen in Minsk Zusammenstöße von Demonstranten mit der Polizei. Wir Journalisten, die „vor Ort“ arbeiteten, waren die ersten, die Lärm – und Blendgranaten in der Nähe des Mahnmals „Heldenstadt Minsk“ sahen und hörten. Auch Tränengas wurde eingesetzt. Im Stadtteil Njamiha nahmen Wasserwerfer Demonstranten ins Visier. All das geschieht zum ersten Mal, wir sind hier und arbeiten im friedlichen und wohlhabenden Belarus. Wir mussten es der Redaktion ins Telefon schreien:
„Man schießt auf Njamiha!“ (Am 9. August klang es noch verrückt, am 12. August hatten wir uns bereits daran gewöhnt).
„Wer?! Womit?“
„Sondereinheiten der Polizei. Weiß der Teufel, womit man schießt! Mit dem Sturmgewehr – ich weiß nicht genau. Was hat die Armee? Was schießt mit Kugeln? Hoffe, das sind Gummigeschosse…“
Friedliche belarussische Journalisten lernten schnell neues Vokabular und eine neue Wirklichkeit kennen. Die Witze des Präsidenten über die Tatsache, dass ein Mensch im Rock den Schützenpanzer nicht vom Schützenpanzerwagen unterscheiden würde, haben eine neue unheimliche Bedeutung gefunden. Wir mussten lernen, dies zu unterscheiden.
Russische Journalisten waren die ersten, die sich Ärger einhandelten. Zu dem Journalisten von „Medusa“, Maxim Solopov, gab es mehr als 40 Studen keine Verbindung. Die Daily-Storm-Korrespondenten Anton Starkow und Dmitri Lassenko wurden festgenommen. Semjon Pegow, der Gründer des WarGonzo-Projekts, fand sich, zusammen mit ihnen, in einem Gefängnistransporter wieder.
Das russische Außenministerium und die russische Botschaft setzten sich rasch für ihre Bürger ein. Sie wiesen ihre belarussischen Kollegen darauf hin, dass das Land, das so erfolgreich mit der Coronavirus-Pandemie umgegangen war, die von Journalisten beantragten Akkreditierungen rechtzeitig und gemäß dem festgelegten Verfahren für die Arbeit bei Wahlen hätte ausstellen können.
In der ersten Nacht waren die Polizisten den Belarussen gegenüber friedlich gestimmt. Oder wir hatten einfach Glück. Sie schlugen uns nicht, nahmen uns nicht fest, sie warnten, dass wir besser zurückweichen, wenn wir den arbeitenden Gesetzeshütern zu nahe kämen.
Schon am nächsten Tag wurde es für die Kollegen schwieriger. Die Nasha-Niwa-Journalistin Natalja Lubnewskaja wurde von einem Gummigeschoss am Bein getroffen. Die TUT.BY-Fotografin erlitt auf wundersame Weise keine schweren Verletzungen – der Karabinerhaken desselben Abzeichens, das an der Brust jedes Journalisten hängt, zerbarst dabei. „Nasha Niwa“ schrieb, dass die Journalisten in einer Gruppe standen und Erkennungswesten trugen. Die Berichterstatter wurden von Menschen in khakifarbenen Uniformen beschossen.
Am selben Tag zog sich die Pressefotografin des Fernsehsenders Belsat, Tatiana Kapitonawa, in der Nähe des Kinos „Avrora“ eine Quetschung zu. Neben ihr war eine Blendgranate explodiert.
Am 10. August verschwand der Redakteur von „Nasha Niva“, Jahor Martsinowitsch, dem es noch gelang, eine SOS-Nachricht an Kollegen zu schicken. Er wurde festgenommen. Die Polizei hat sogar zugesagt, ihn zu suchen. Die Geschwindigkeit der Suche lässt vermuten, dass er bei der Festnahme verprügelt worden sein könnte. Denn es dauert lange, eine Person, die sich in den Händen der Strafverfolgungsbehörden befindet, in all den Dokumenten zu finden.
Der Korrespondent Stanislau Korshunau von TUT.BY, der am 11. August in Brest bei der Ausübung seines Berufes festgenommen worden war, kam ebenfalls nicht frei. Die örtliche Bezirksabteilung für Innere Angelegenheiten verweigerte seiner Ehefrau die Auskunft, wo ihr Ehemann ist und warum er festgenommen wurde. Später gab der Chef der Brester Polizei bekannt, der Mann sei jetzt in einer Gefängniszelle der Abteilung für Innere Angelegenheiten des Lenin-Bezirks in Brest. Dass er ein Journalist ist, solle er vor Gericht beweisen.
„Auf Stanislau sind etwa 10 Einsatzkräfte losgegangen. Er hatte eine Weste mit der großen Aufschrift „TUT.BY“ auf Vorder- und Rückseite an. Bei der Festnahme schrie er, dass er zur Presse gehöre. It seemed that he wasEs schien, als sei man mit Absicht auf ihn losgestürmt. Andere Journalisten, die sich daneben aufgehalten hatten, sind ungeschoren geblieben“, teilte der Augenzeuge Denis mit.
Weitere Vorfälle lassen sich aufzählen. Der TUT.BY-Kameramann Wsewalad Sarubin wurde verletzt, es wurde auf sein Bein eingeschlagen. Einsatzkräfte zerstörten den Kamerabildschirm und nahmen ihm den Flash-Datenspeicher mit Videoaufnahmen ab. Dem TUT.BY-Fotografen Wadsim Samirousky wurde sein Presseausweis abgerissen und auch ihm wurde der Datenspeicher abgenommen. Einsatzkräfte entwendeten auch die Datenspeicher der TUT.BY- Fotografin Darja Burjakina, des Associated-Press-Fotografen Sjarhej Hriz und der Nasha-Niva-Fotografin Nadezhda Buzhan.
Auch in Hrodna versuchte man, unsere Korrespondentin festzunehmen – Olga Komjagina trug eine TUT.BY-Weste und versuchte, sich zu verstecken, als die Einsatzkräfte heranstürmten, um eine Versammlung weniger Bürger, die sich friedlich an den Hängen der Alten Brücke auf der Harnavych-Straße aufhielten, mit Gewalt aufzulösen. 10 Personen, darunter die Korrespondenten des TUT.BY und des lokalen Portals Hrodna.life, rannten in ein Geschäft. Die Polizei-Sonderheit drang dort ein und nahm gewaltsame Festnahmen vor. Olga gelang es zu fliehen. Einsatzkräfte nahmen den Hrodna.life-Korrespondenten Ruslan Kulewitsch, seine schwangere Ehefrau und andere Hrodner fest. Die Plattform Onliner berichtete über die gewaltsame Festnahme seiner Journalisten in Minsk, Bildredakteur Wladislau Barissewitsch und Videokorrespondent Sjarhej Ptuschko. Die Kamera des Letzteren wurde zerstört. Eine Stunde nach ihrer Festnahme wurden sie mit Hilfe der Presseabteilung des Innenministeriums freigelassen.
Der russische Dienst der BBC News berichtete, dass eine Gruppe von Männern in schwarzen Uniformen ohne Kennzeichen zu seinen Journalisten gekommen sei. Ein von ihnen habe gefordert, die Akkreditierung vorzuweisen, welche die Journalisten auch bei sich hatten. Danach habe einer von ihnen dem Korrespondenten die Pressekarte vom Hals gerissen und die Kamera aus den Händen gezerrt. Der Kameramann sei geschlagen worden. Die Journalisten seien jedoch einer Festnahme entgangen.
Der Journalist von „Komsomolskaja Prawda“, Hennadij Mascheika, der eine Weste mit der Aufschrift „Presse“ und einen Helm getragen habe, sei im Wohnbezirk Serebrjanka mit Knüppeln auf die Beine geschlagen worden, berichtete die Zeitung. Er saß zusammen mit dem Fahrer im Auto, als die Einsatzkräfte auf sie zukamen und aufforderten, das Auto zu verlassen.
Wahrscheinlich wird der Weißrussische Journalistenverband etwas Wütendes über die Festnahme und die Prügelattacken gegen Journalisten sagen. „Sie sind selbst schuld, sie haben gegen das Gesetzt verstoßen“, wird die Polizei berichten. das Informationsministerium wird nichts sagen. Schließlich hatte es uns doch zuvor bereits eine Warnung übermittelt. Falls das jemand das nicht begriffen hatte, dann war das Informationsministerium daran jedenfalls nicht schuld. Die Botschaften und Außenministerien werden sich für ihre Staatsbürger unter den Verhafteten einsetzen.
Wenn die Proteste weitergehen, werden wir da sein. Es ist unsere Aufgabe, zu berichten, was wichtig ist.